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Heinrich Haug (1895 - 1953)

(1895-1953)

„Der Matador der illegalen Bewegung in Konstanz“

 

10.03.1933 bis 15.09.1933 Schutzhaft
08.08.1935 erneute Verhaftung
26.02.1936 bis 26.03.1936 Schutzhaftlager Kislau

28.05.1938 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
16.02.1940 bis 27.03.1940 Landgerichtsgefängnis Konstanz
27.03.1940 KZ Mauthausen
02.05.1943 KZ Gusen
05.05.1945 Befreiung

Heinrich Haug wurde am 23. August 1895 in Hechingen im heutigen Zollernalbkreis geboren. Im Ersten Weltkrieg leistete er drei Jahre Wehrdienst. Einem Vermerk auf seiner KZ-Häftlingspersonalkarte zufolge war er gelernter Laborant. Möglicherweise hat er sich auch nur als solcher ausgegeben, denn nach anderen Angaben konnte er wegen einer Kriegsverletzung an der Hand keinen Beruf erlernen und war Hilfsarbeiter.

1918 übersiedelte Heinrich Haug nach Konstanz, wo er bei der Oberpostdirektion und später in einer Sportartikelfabrik arbeitete. Er wurde Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und war bis 1933 Leiter der „Antifaschistischen Aktion“ in Konstanz. Nach der NS-Machtübernahme engagierte er sich weiter für seine nunmehr verbotene Partei und unterhielt illegale Beziehungen zu einem seiner Genossen in Kreuzlingen jenseits der Schweizer Grenze. Anfang März 1933 wurde er von einem Nachbarn bei der Polizei angeblich mit der Behauptung denunziert: „Haug ist der Matador der illegalen Bewegung in Konstanz“. Da zu jener Zeit eine allgemeine Verhaftungswelle gegen bekannte politische Gegner der Nazis rollte, dürfte es einer solchen persönlichen Denunziation allerdings kaum noch bedurft haben. Haug wurde festgenommen und kam vom 10. März bis zum 15. September 1933 in Schutzhaft.

Am 8. August 1935 wurde er erneut inhaftiert und im Februar des folgenden Jahres  von der Gestapo in das badische Schutzhaftlager Kislau bei Mingolsheim eingeliefert. Nach einem Monat wurde er von dort dort entlassen und lebte anschließend wahrscheinlich wieder bei seiner Ehefrau Luise, geborene Schwarz, in der Blarerstraße 46 in Konstanz. Nur ein gutes Jahr lang befand er sich auf freiem Fuß. Im September 1937 wurde er durch die Gestapo Karlsruhe wiederum verhaftet. Der genaue Grund und die näheren Umstände sind nicht bekannt. Am 28. Mai 1938 wurde er in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert und erhielt die Häftlingsnummer 14334 „2xKL. Sch.D“ (deutscher Schutzhäftling, der bereits schon einmal in einem KZ war).

Anlässlich der zeitweiligen Umnutzung des Lagers Dachau für Ausbildungszwecke der SS wurde Heinrich Haug mit einem 1.600 Häftlinge umfassenden Sammeltransport am 27. September 1939 in das Konzentrationslager Mauthausen überführt. Hier erhielt er die freigewordene Schutzhäftlingsnummer 2131. Sein KZ-Aufenthalt wurde unterbrochen durch eine am 16. Februar 1940 erfolgte temporäre Überstellung in das Landgerichtsgefängnis Konstanz. Der Grund hierfür dürfte ein in Konstanz gegen ihn angestrengter Strafprozess gewesen sein. Justizhaft scheint jedoch gegen ihn keine verhängt worden zu sein, da er im Anschluss an den Prozess, am 27. März 1940, direkt nach Mauthausen zurückgeführt wurde. In seiner 1943 ausgestellten KZ-Personalkarte ist zwar als Inhaftierungsgrund „illegale Tätigkeit“ angegeben, unter „Vorstrafen“ ist jedoch: „angeblich keine“ eingetragen, was ebenfalls dagegen spricht, dass er gerichtlich verurteilt worden war.

Seit Mai 1943 war Heinrich Haug als „rückfälliger Schutzhäftling“ Nummer 15255 im zum Mauthausenkomplex zählenden Konzentrationslager Gusen. Dort wurden ihm aus bisher nicht ersichtlichen Gründen weitere wechselnde Gusen-Nummern zugeteilt: 43270 und 73758. Ab 2. Juli 1942 war er laut Vermerk auf seiner Häftlingskarte als Schreiber der "Häftl. Kammer" in "Rü Steyr" eingesetzt . Das Kürzel "Rü Steyr" verweist auf eines der den Steyr-Daimler-Puch AG dienenden Außenlager. Dabei könnte es sich beispielsweise um das Lager Steyr-Münichholz handeln, das für die Rüstung produzierte. Wegen der alliierten Luftangriffe wurde 1944 ein Großteil der dortigen Produktion an andere Orte verlagert. Im Mai 1945 wurde das Lager Steyr-Münichholz durch US-Truppen befreit.

Zurück in der Heimat fand Heinrich Haug eine Anstellung beim städtischen Gaswerk. Bei der Wahl zum Konstanzer Gemeinderat am 15. September 1946 kandidierte Haug erfolglos auf der Liste der „Vereinigung unabhängiger Sozialisten zur demokratischen Erneuerung“. Bei der Gründung des Badischen Vereins der deutschen Opfer des Nationalsozialismus wurde er am 16. März 1947 als Vertrauensmann der Stadt Konstanz benannt. Der Verein sorgte für die Betreuung und Unterstützung von NS-Verfolgten, bis seine Kompetenzen 1949 an die neu geschaffene Abteilung IV des Badischen Ministeriums für Finanzen beziehungsweise an die Finanzämter übergingen.

Offenbar hegte Haug Vorbehalte gegenüber den für die Wiedergutmachung zuständigen Nachkriegsbehörden. In seinem eigenen Entschädigungsverfahren fühlte er sich jedenfalls aus politischen Gründen zurückgesetzt. Am 13. Januar 1951 beschwerte er sich in diesem Sinne beim zuständigen Badischen Ministerium für Finanzen: „Ich selbst war wohl einer der fanatischsten Nazi-Gegner hier in Konstanz und mache mir oft Gedanken darüber, ob ich wohl deswegen unter die so genannte Verschleppungstaktik falle“. Doch gelang es Haug schließlich, mit Hilfe des von den Nazis verfolgten Konstanzer Rechtsanwalts Dr. Hans Venedey, der nach dem Krieg mehrere Monate Staatsminister des Landes Großhessen war, vor Gericht einen passablen Vergleich herbeizuführen.

Heinrich Haug starb am 17. Juni 1953 in Konstanz. Im September 2013 wurde für ihn laut Angaben der Internetseite Stolpersteine Konstanz in der Blarerstraße 26 ein Stolperstein verlegt.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Heinrich Haugs Wohnadresse, wie sie auf einer Kislau- und auf einer KZ-Personalkarte angegeben ist (abweichend von der Stolpersteinadresse, die Lage des Stolpersteins ist ebenfalls auf der Übersichtskarte verzeichnet): Blarerstraße 46 in 78462 Konstanz.

 

Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen - KL Mauthausen – Heinrich Haug
1.2.2.1 Listenmaterial Gruppe P.P. / Auszüge aus dem Gefangenenbuch des Landgerichtsgefängnisses Konstanz, Dok.Nr. 12057535

Staatsarchiv Freiburg
D 180/2 Nr. 84568 (Spruchkammerakte)
F 196/1 Nr. 704 (Entschädigungsakte)

Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

Uwe Brügmann: Heinrich Haug (Internetseite Stolpersteine Konstanz, https://stolpersteine-konstanz.de/haug_heinrich.html)

Uwe Brügmann: Hans Jakob Venedey, 1902-1969 (Internetseite Stolpersteine Konstanz)


© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Juni 2021
www.kz-mauthausen-bw.de