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Julius Müller (1877 - 1949)

Badischer „Gewitter“-Häftling

23.08.1944 KZ Natzweiler
06.09.1944 Dachau
16.09.1944 KZ Mauthausen
01.11.1944 Entlassung aus KZ Mauthausen

Julius Müller wurde am 6. Oktober 1877 in Offenburg geboren. Er war verheiratet mit Berta, geborene Rheinbach (abweichend auch: Reinbold), und hatte zwei in den Jahren 1900 und 1904 geborene Kinder. Die Familie wohnte in Offenburg in der Wilhelmstraße (1940-1945: Otto-Wacker-Straße) 14. Er hatte den Schlosserberuf, nach anderen Angaben den eines Elektrotechnikers erlernt. Er war aber als kaufmännischer Ortsangestellter in Offenburg im Einheitsverband der Eisenbahner Deutschlands tätig. Im Mai 1933 wurde das Gewerkschaftshaus in Offenburg von Nationalsozialisten besetzt und das Vermögen beschlagnahmt. Auf den Inventarverzeichnissen des Allgemeinen deutschen Gewerkschaftsbundes, Ortsausschuss Offenburg, und des Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands, die am 13. Mai 1933 aufgenommen wurde, wird Julius Müller als die für die Erstellung des Verzeichnisses verantwortliche Person genannt. Bei der Übernahme der Gewerkschaft durch die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront (DAF) wurde Müller dann am 3. Juli 1933 fristlos entlassen. Danach war er über ein Jahr lang arbeitslos.

Am 22. August 1944 wurde Julius Müller im Rahmen der nach dem Umsturzversuch des 20. Juli 1944 erfolgten reichsweiten Verhaftungsaktion „Aktion Gewitter“ (auch Aktion Gitter und Aktion Himmler genannt) verhaftet. Die Gestapoaktion „Gewitter“ betraf ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Sozialdemokraten, Kommunisten und der Zentrumpartei sowie weiterer Parteien der Weimarer Republik. Julius Müller wurde von der Gestapo – Stapoleitstelle Karlsruhe – in das Konzentrationslager Natzweiler im Elsass eingewiesen und erhielt die Häftlingsnummer 23162 „Pol RD“ (politisch reichsdeutsch). Als das Lager Natzweiler angesichts der näherrückenden Front wenig später aufgelöst wurde, kam er per Sammeltransport am 6. September 1944 in das KZ Dachau (Schutzhäftling Nummer 102058). Bereits am 14./16. September 1944 erfolgte jedoch, ebenfalls per Sammeltransport, die Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen (Häftlingsnummer 98754 „Polit R.D.“), wo er einem Vermerk auf seiner Häftlingskarteikarte zufolge wahrscheinlich in seinem Beruf als Schlosser arbeitete. Auch war er zumindest zeitweilig im benachbarten KZ Gusen.

Am 1. November 1944 wurde er mit polizeilichen Meldeauflagen aus dem KZ Mauthausen entlassen. Seine persönliche Habe (sogenannte „Effekten“) wurde ihm dabei nicht ausgehändigt. Julius Müller: „Die mir vom Lager Mauthausen zur Heimreise mitgegebenen Kleider usw. mussten nach Ankunft in der Heimat sofort nach Mauthausen zurückgesandt werden. Ein Geldbetrag von 30 RM, der mir von meinen Angehörigen zur Heimreise nach Mauthausen gesandt wurde, ist mir nicht ausgehändigt worden“.

Julius Müller erkrankte nach eigenen Angaben nach seiner Entlassung an einer Lungenentzündung und erlitt mehrere Nervenanfälle sowie einen Schlaganfall mit vorübergehendem Sprachverlust.

Er wurde vor Ort schon früh als NS-Verfolgter anerkannt und als Naziopfer in Gruppe I (es war anfangs gängige Praxis, NS-Verfolgte in mehrere Kategorien mit unterschiedlichen Entschädigungsberechtigungen einzuteilen) eingestuft. Ab August 1945 war er als Betreuer für KZ-Häftlinge beim Wohlfahrtsamt Offenburg angestellt. Danach betätigte er sich wieder bei der Gewerkschaft. Gesundheitlich völlig wiederhergestellt war er jedoch anscheinend nicht, denn im Sommer 1948 empfahl ihn der Leiter der Zweigstelle Lahr der Badischen Landesstelle für die Betreuung der Opfer des Nationalsozialismus für eine Erholungskur im Glotterbad oder in Baden-Baden.

Julius Müller starb am 23. Oktober 1949 in Offenburg. Wiedergutmachungsberechtigt war nun die als Alleinerbin eingesetzte Tochter. Am 14. Juli 1959 erhielt Julius Müllers Wiedergutmachungsakte den Stempel „Vollständig erledigt. Weggelegt“.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Julius Müllers Wohnsitz zum Zeitpunkt seiner Verhaftung: Wilhelmstraße 14 in Offenburg im Ortenaukreis.


Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.29.2 Individuelle Unterlagen Natzweiler – Julius Müller
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen – Julius Müller
DocID: 10712928 (Julius Müller)

Staatsarchiv Freiburg
D 180/2 Nr. 15959
D 180/2 Nr. 43010
F 196/1 Nr. 5609 (Wiedergutmachung)

Martin Ruch: Verfolgung und Widerstand in Offenburg 1933–1945. Offenburg 1995, S. 595.


© Recherche und Text:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Oktober 2023
www.kz-mauthausen-bw.de