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"Asoziale"

Unter den uns bislang bekannten über 1.200 Personen, die aus dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg in das KZ-Lagersystem Mauthausen deportiert wurden, befanden sich 253, die den schwarzen Winkel der sogenannten „Asozialen“ tragen mussten. Dies waren 245 Männer, sechs Frauen und zwei Mädchen im Alter von acht und elf Jahren.

Die Nationalsozialisten haben die Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit sozial unerwünschtem Verhalten nicht erfunden, sondern bestehende und gesellschaftlich virulente Wertvorstellungen aufgegriffen und verstärkt. Bettelei, Landstreicherei, Obdachlosigkeit etc. waren bei den Behörden und der Mehrheitsgesellschaft auch vor 1933 nicht akzeptiert und konnten entsprechend sanktioniert werden. Neu war unter nationalsozialistischer Herrschaft das brutale und unnachsichtige Vorgehen, dem die Überzeugung zugrunde lag, dass die Ursache für unerwünschtes Verhalten ererbt und somit genetischer Natur sei. Alkoholkranke, Bettler, Obdachlose, Langzeitarbeitslose, Zuhälter, säumige Unterhaltspflichtige und Sinti und Roma galten als „asozial“ und teilweise als „rassisch minderwertig“. Ihr Tod wurde mit der Einweisung in ein Konzentrationslager in Kauf genommen. Einweisende Behörde war in der Regel die Kriminalpolizei, die Grundlage dafür lieferte ein Erlass des Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler vom Dezember 1937. Fortan galten „asoziale“ Bevölkerungsgruppen, auch ohne selbst kriminell gehandelt zu haben, als potentielle Träger für Verbrechen, vor denen die „Volksgemeinschaft“ zu schützen sei. Dies geschah mit dem Mittel der kriminalpolizeilichen Vorbeugehaft, die in den Konzentrationslagern vollzogen wurde.
Die erste große reichsweite Verhaftungsaktion erfolgte im April 1938 auf Anordnung der Gestapo, die zweite im Juni 1938 auf Anweisung der Kriminalpolizei. Ende 1940 vermeldete das Reichssicherheitshauptamt, dass sich 5.906 Männer und 918 Frauen (Dachauer Hefte, Heft 14, S. 50-66) als „Asoziale“ in Vorbeugehaft befinden. Die kriminalpolizeiliche Verfolgung der als „asozial“ Stigmatisierten und ihre Einweisung in ein Konzentrationslager dauerte bis zur Befreiung im Mai 1945 an.


© Text und Recherche:
Ingrid Bauz, Tübingen
Stand: Dezember 2023
www.kz-mauthausen-bw.de