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August S. (1892 - 1945)

30.11.1944 KZ Mauthausen
06.12.1944 KZ Gusen
06.03.1945 KZ Mauthausen
24.04.1945 Tod im KZ Mauthausen

August S. kam als unehelicher Sohn der Josefine S. am 28. Mai 1892 in Oggelshausen zur Welt. Im nahe gelegenen Bad Buchau besuchte er die Katholische Volksschule. Anschließend arbeitete er in verschiedenen Mühlen in Ravensburg, Mannheim und Schifferstadt. Von 1912 bis 1918 war er Soldat. Bis zum Kriegsbeginn 1914 war er bei der 9. Kompanie des Jäger-Regiments 124 in Weingarten stationiert und während des Kriegs an der Westfront eingesetzt. Mit einer Gasverletzung an den Augen und einem Kniedurchschuss wurde er nach Kriegsende aus dem Militär entlassen. Wenig später bekam er wegen schweren Raubes und Beteiligung an einem Mord eine vierzehnjährige Zuchthausstrafe und wurde im Dezember 1929 vermutlich frühzeitig entlassen. Die folgenden sechs Jahre war er arbeitslos und verrichtete später, unterbrochen von mehreren Gefängnisaufenthalten, hin und wieder Gelegenheitsarbeiten.
 
Im Dezember 1929, unmittelbar nach der Haftentlassung, heiratete er Elise K.. Sie brachte ihre unehelich geborene Tochter mit in die Ehe und schenkte drei weiteren Kindern das Leben. Der Lebensmittelpunkt der Familie lag in Ulm. Die ersten zehn Jahre im Stadtteil Söflingen, anschließend in Wiblingen. August S. war von 1931 bis 1937 Mitglied der NSDAP und Angehöriger der SA-Reserve, einem paramilitärischen Kampfverband der NSDAP. Aufgrund seiner Vorstrafen wurde ihm der Austritt aus beiden Organisationen nahegelegt, was er nach eigenen Angaben „… befolgte, um einem Ausschluss zu entgehen“.

Aufgrund einer Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs und Abtreibung wurde S. im November 1939 erneut verhaftet. Seine Stieftochter berichtete bei der polizeilichen Vernehmung von mehrmaligem Missbrauch: weil sie sich geschämt habe, habe sie ihrer Mutter nichts erzählt. Jetzt sei sie „froh, daß dieser Druck, der mich seit Jahren seelisch stark mitnahm, von mir weg ist“. Ihr Stiefvater gestand den Missbrauch bei seiner Vernehmung ein; die ihm vorgeworfenen Abtreibungen spielte er jedoch auf eine Art herunter, als ob er sie nicht hätte vornehmen wollen. Sehr aufgeregt verlief dagegen die Vernehmung von Elise S., die vorgab, von nichts etwas zu wissen, tobte und schrie und nicht zu beruhigen war. Vom Polizeirevier begab sie sich direkt zu ihrer Tochter und griff sie in der Vermutung tätlich an, sie habe den Stiefvater angezeigt. Einige Zeit später gestand sie mehrere Abtreibungsfälle ihres Ehemannes.

Am 9. April 1940 wurde August S. vom Schöffengericht Ulm wegen mehrerer „Verbrechen der gewerbsmäßigen Abtreibung“ und eines „fortgesetzten Verbrechen wider die Sittlichkeit“ zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in den Gefängnissen Ludwigsburg, Zweibrücken, St. Georgen und Deggendorf verbüßte. Nach einem misslungen Fluchtversuch erhöhte sich seine Haftstrafe um weitere neun Monate. Nach seiner Haftentlassung im November 1944 war er sechs Mal vorbestraft. Von einem Feldkriegsgericht war er 1915 wegen Diebstahls zu vier Wochen strengem Arrest und ein weiteres Mal zu einem Jahr und zehn Tagen Gefängnis verurteilt worden. 1919 folgte die bereits erwähnte 14jährige Zuchthausstrafe. 1920 und 1938 verbrachte er jeweils sechs und acht Monate in Haft wegen Diebstahls und 1931 drei Wochen wegen Abtreibung. Die Stuttgarter Kriminalpolizei wies ihn als sogenannten „Berufsverbrecher“ (BV) ins Konzentrationslager ein.

Im KZ Mauthausen ist seine Ankunft am 30. November 1944 registriert. Bei der Aufnahme gab er als Beruf „Elektrohilfsmonteur und Heizer“ an. Er erhielt die Häftlingsnummer 111586 und wurde im Lager mit dem Kürzel "BV" und dem grünen Winkel der sogenannten „Kriminellen“ gekennzeichnet. Laut Arbeitsbuch des KZ Mauthausen befand er sich fünf Tage in Quarantäne. Jeder Häftling musste nach seiner Ankunft in einem Konzentrationslager in Quarantäne, um festzustellen, ob eine ansteckende Krankheit mitgebracht worden war. Im Fall von S. dauerte die Quarantäne nur fünf Tage, in anderen Fällen konnte sie bis zu drei Wochen andauern. Er war vermutlich noch kräftig genug, um einem Arbeitskommando zugeteilt zu werden und kam am 6. Dezember 1944 ins nahegelegene KZ Gusen, wo er als Facharbeiter arbeiten musste. Drei Monate später, am 6. März 1945 wurde er ins Krankenrevier des KZ Mauthausen verbracht. Am 24. April 1945, wenige Tage vor der Befreiung des Lagers am 5. Mai, ist August S. im KZ Mauthausen verstorben.

Elise S. stellte am 25. August 1947 einen Antrag auf Entschädigung, konkret die Übernahme der Fürsorgeleistungen. Hierzu aus ihrer Begründung: „Nach der Wegnahme des Ehemanns mußte seine Familie in bitterster Not leben und seitdem auch öffentliche Fürsorge in Anspruch nehmen.“ Der Antrag wurde mit folgender Begründung zurückgewiesen: „… konnten uns jedoch nicht entschließen, Sie als Wiedergutmachungsberechtigte anzuerkennen. Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass ihr Ehegatte August S. nicht aus politischen Gründen in Haft war…“.

Im Raum der Namen auf der Homepage der Gedenkstätte Mauthausen wird August S. zusammen mit mehr als 84.000 im Lagersystem Mauthausen verstorbenen Häftlingen genannt. Dies ist vermutlich ein erster öffentlicher Hinweis auf sein Verfolgungsschicksal.

Die Markierung auf der Übersichtskarte weist auf den Wohnort der Familie S. in der Hauptstraße 40 in Ulm-Wiblingen.


Quellen
Staatsarchiv Ludwigsburg: EL 350 I Bü 3218 und E 352 Bü 6370

ITS Archive Arolsen, Arolsen Archives:
1.1.26 Inhaftierungsdokumente Mauthausen/ August S.

Mauthausen Memorial https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/

 

© Text und Recherche:
Ingrid Bauz, Stuttgart
Stand: Juli 2021
www.kz-mauthausen-bw.de