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Edwin Müller (1896 - 1966)

Der Singener „Walzen-Müller“

23.08.1944 KZ Natzweiler
06.09.1944 Dachau
16.09.1944 KZ Mauthausen
18.10.1944 Entlassung aus dem KZ Mauthausen

Edwin Müller wurde am 7. Januar 1896 in Stockach im heutigen Landkreis Konstanz geboren. In Hagnau am Bodensee erlernte er den Beruf des Maschinenschlossers. Seit dem Jahr 1911 wohnte er in Singen (Hohentwiel). Während des Ersten Weltkriegs war er Soldat bei der Marine in Kiel. Verheiratet war er mit Josefine, geborene Veser, hatte drei Söhne (der älteste Sohn fiel im Zweiten Weltkrieg) und wohnte mit der Familie in der Harsenstraße 6 in Singen.

1920 trat er der Kommunistischen Partei (KPD) bei und gehörte zu den Gründern der KPD-Ortsgruppe Singen. Als gewählter Vertreter seiner Partei war er vom 19. November 1922 bis 15. November 1930 Mitglied des Bürgerausschusses der Stadt Singen und vom 5. Dezember 1930 bis 1933 war er im Singener Stadtrat. 1937 wurde in einem Gerichtsverfahren festgestellt, dass der ehemalige kommunistische Stadtrat in anonymen Briefen zu Unrecht hochverräterischer Absichten beschuldigt wurde.

Bis zum 22. Juli 1933 arbeitete Edwin Müller bei der Stadt Singen als Schlosser und Kraftfahrer. Da er mit der Dampfwalze die Straßen befestigte, war er vor Ort als der „Walzen-Müller“ bekannt. Nach der NS-Machtübernahme wurde er bei der Stadt nur noch als Notstandsarbeiter eingesetzt. Jedoch fand er ab 24. September 1934 bis Kriegsende eine neue Anstellung bei dem Singener Schmelzofenhersteller Caloriewerk Gautschi und Brandt.

Im Frühjahr 1944 leistete Müller zwei jungen Leuten erfolgreich Fluchthilfe in die Schweiz. Am 22. August 1944 wurde er zusammen mit 15 weiteren Mitgliedern der KPD und SPD aus Singen im Rahmen der nach dem Umsturzversuch des 20. Juli 1944 erfolgten reichsweiten Verhaftungsaktion „Aktion Gewitter“ (auch Aktion Gitter und Aktion Himmler genannt) verhaftet. Die Gestapoaktion „Gewitter“ betraf ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Sozialdemokraten, Kommunisten und der Zentrumspartei sowie weiterer Parteien der Weimarer Republik. Am folgenden Tag wurde Edwin Müller von der Gestapo – Stapoleitstelle Karlsruhe – in das Konzentrationslager Natzweiler im Elsass eingewiesen. Als das Lager Natzweiler angesichts der näherrückenden Front wenig später aufgelöst wurde, kam er per Sammeltransport vom 4./6. September 1944 in das KZ Dachau (Schutzhäftling Nummer 101700). Bereits am 14./16. September 1944 erfolgte jedoch, ebenfalls per Sammeltransport, die Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen (Häftlingsnummer 98752 „Polit“). Zum Arbeitseinsatz kam er in das benachbarte KZ Gusen und am 7. Oktober wieder zurück ins Hauptlager Mauthausen. Am 18. Oktober 1944 wurde er aus dem KZ Mauthausen entlassen.

Aufgrund der Haftfolgen war er einige Zeit arbeitsunfähig. Danach war er im Bauhof der Stadt Singen als Oberwerkmeister bis zu seiner Pensionierung beschäftigt. Er gehörte auch dem ersten Nachkriegsgemeinderat der Stadt Singen an.

Seine in den USA lebende Schwester konnte Edwin Müller trotz eines Leumundszeugnisses des Singener Oberbürgermeisters in der McCarthy-Ära nicht besuchen, da ihm aus politischen Gründen die Einreise verweigert wurde.

Mit seiner Wiedergutmachungsangelegenheit befasste sich das Finanzamt Singen (Hohentwiel), Dienststelle für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung, Alpenstraße 11. Im Februar 1950 holte das Amt in dieser Angelegenheit Auskünfte über Edwin Müller beim Internationalen Suchdienst (ITS) in Arolsen ein. Am 18. Juni 1963 stellte der ITS dem Oberstaatsanwalt in Köln eine Haftbestätigung für Edwin Müller aus.

Edwin Müller starb am 22. Januar 1966 in Singen.

Am 14. Juli 2011 wurde in der Harsenstraße 6 in Singen (Hohentwiel) ein Stolperstein für Edwin Müller verlegt. Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt diese Adresse.

 

Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
DocID: 124089317 (Schreibstubenkarte Dachau)
DocID: 124089389 (Personalkarte Mauthausen)
DocID: 128452118 (Transportliste)
T/D 770240

Staatsarchiv Freiburg
A 42/1 Nr. 46
D 180/2 Nr. 49782
D 180/2 Nr. 101709
F 30/5 Nr. 1337
F 166/3 Nr. 7096
F 196/1 Nr. 1482

Stadtarchiv Singen
Nachlass Fritz Besnecker

Käte Weick: Widerstand und Verfolgung in Singen und Umgebung. Berichte, Lebensbilder und Dokumente. Herausgegeben im Auftrag der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten Baden-Württemberg. Neuss [1982?].

Ruth Weiler/Walter Müller: Stolpersteinverlegung 14.Juli 2011 für Edwin Müller (http://www.stolpersteine-singen.de › biografien PDF)


© Recherche und Text:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Januar 2023
www.kz-mauthausen-bw.de