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Eugen Reinert (1892 - 1945)

Verschwörung im Bienenhaus

1933 KZ Ankenbuck
22.08.1844 Verhaftung, KZ Natzweiler
04.09.1944 KZ Dachau
15.09.1944 KZ Mauthausen
08.01.1945 gestorben im Mauthausen-Außenlager Melk

Eugen Reinert wurde am 15. August 1892 in Haagen (heute ein Stadtteil von Lörrach) geboren. Er war zunächst Handelsvertreter und später Arbeiter in der Tuchfabrik seines Geburtsorts. Im Ersten Weltkrieg diente er als Soldat. Mit seiner Familie lebte er in der Wallbrunnstraße. Reinert war Mitglied der Kommunistischen Partei (KPD). Als Nazi-Gegner wurde er 1933 in das badische KZ Ankenbuck (Gemeinde Brigachtal) verschleppt.

Durch eine private Notiz verbürgt ist eine vertrauliche Besprechung im August 1944 im am Lörracher Hünerberg gelegenen Bienenhaus (ein Gartenhaus für die Imkerei, auch als Apiarium bezeichnet) Eugen Reinerts. Neben Reinert selbst waren zwei weitere Personen anwesend: Fritz Keser und Pfarrer Wilkens. Gemeinsam wollte man sich Gedanken über die Situation nach der Niederlage Hitlers machen.

Aber nicht wegen dieses Treffens, das von den NS-Sicherheitsorganen vermutlich unbemerkt blieb, sondern im Zuge der Aktion "Gitter" ("Gewitter") nach dem gescheiterten Umsturzversuch des 20. Juli 1944 wurde Reinert am 22. August 1944 verhaftet und über das Bezirksgefängnis Lörrach am folgenden Tag in das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsass überführt (Häftlingsnummer 23371). Ein zeitgleich verhafteter Mithäftling, Hermann Lützelschwab (1892-1975), schrieb in einem 1954 verfassten Erinnerungsbericht über die damaligen Vorgänge:

"Am 23. August 1944 wurde ich mit noch etwa 40 Kameraden aus dem Bezirk Lörrach nach dem Konzentrationslager Struthof (Niederelsass) gebracht. Um etwa 10 Uhr wurden wir mit einer starken Bewachungsmannschaft am Bahnhof in Lörrach verladen und kamen nachts etwa um ½ 11 Uhr in dem fürchterlichen Lager Struthof an [...]. Wir wurden sogleich der Lagerkommandantur vorgeführt, und es begann die mir schon bekannte Abfilzung der Kleider und des Körpers. Als diese Prozedur fertig war, hatte uns der allgewaltige Lagerkommandant gefragt, ob wir Hunger hätten und Durst. Dies haben wir bejaht, daraufhin antworte dieser: „Zum Essen und zum Trinken haben wir nichts, aber da ist der Galgen, die Giftkammer und das Krematorium, und wer Lust hat, die Freiheit zu erreichen, der kann sich schon melden und kann diese durch das Krematorium erreichen”. Da hatte keiner mehr Hunger oder Durst [...]. Der grausigste Anblick war von donnerstagnachts bis zum Sonntag, denn in dieser Zeit war das Krematorium in Funktion. Die Flammen schlugen vor lauter Verbrennen von Menschen bis zu drei Meter hoch über den Schornstein des Krematoriums [...]. Mein lieber Kamerad Reinert und ich hatten uns schon bereits mit der Giftkammer, wo 40 Menschen Platz hatten, abgefunden, da erleuchteten Blitze mit Kanonendonner die Nacht. Die Front war nunmehr in unmittelbare Nähe gerückt, und nun hieß es für uns, auf schnellstem Wege aufbrechen nach Dachau."1

Zu Fuß ging es vom Struthof zur Bahnstation und dann in Güterwaggons via Karlsruhe, Ludwigsburg und Stuttgart nach Dachau. Nach der Ankunft im KZ Dachau am 4. September 1944 erhielt Reinert die Häftlingsnummer 102084. Zehn Tage später kam er wieder auf einen Massentransport (Transportnummer 1561), nun in das KZ Mauthausen, wo er am 16. September eintraf und man ihm die Nummer 98973 "DR. Schutz" zuteilte. Zum Arbeitseinsatz kam er in das Mauthausen-Außenlager Melk (Decknamen "Quarz"). Die Häftlinge mussten dort Stollen für die geplante Rüstungsproduktion in den Berg treiben. Aufgrund der extrem harten Arbeitsbedingungen war die Mortalität hoch. Eugen Reinert verstarb im Außenlager Melk am 8. Januar 1945 im Alter von 52 Jahren. Die standardisierte Todesbenachrichtigung der Kommandantur des KZ Mauthausen erging mit Datum vom 12. Januar 1945 an seine Tochter in Lörrach:

"Ihr Vater, Eugen Reinert, geb. 15. August 1892, ist am 8. Januar 1945 an akuter Herzschwäche im hiesigen Krankenhaus gestorben. Die Leiche wurde am 9. Januar 1945 im staatlichen Krematorium eingeäschert. Gegen die Ausfolgung der Urne bestehen, wenn eine Bescheinigung der örtlichen Friedhofsverwaltung beigebracht wird, dass für die ordnungsgemäße Beisetzung Sorge getragen wird, keine Bedenken. Eine Sterbeurkunde können Sie bei Einsendung der Gebühr von RM 0,72 beim Standesamt Mauthausen II (12b) Mauthausen/Oberd. anfordern. I.A. gez. Unterschrift, SS Obersturmführer".

Das Gedenkbuch der Stadt Lörrach für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnert an Eugen Reinert als einen Fabrikarbeiter, der "wegen antifaschistischer Betätigung" in Schutzhaft genommen wurde.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die Lörracher Wallbrunnstraße, wo sich am Haus der Reinerts lange Zeit eine Gedenktafel befand.

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1 Zit. n. Noe, 2015, S. 80 (StALö HA 396a/2).


Quellen und Literatur

Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen - Eugen Reinert
1.1.6.12 Transportliste nach dem KL. Mauthausen

Staatsarchiv Freiburg
D 180/2 Nr. 232946 (Spruchkammer)
F 196/1 Nr. 4847 (Landesamt für die Wiedergutmachung, Außenstelle Freiburg)

Manfred Bosch (Hg.): Frieda und Emil Faller. Wir trugen die Last, bis sie zerbrach. Ein deutscher Briefwechsel 1933-1938. Freiburg 1983, S. 43.

Sabine Ehrentreich: Eugen Reinert. Umgekommen im KZ – allein der Überzeugung wegen. Badische Zeitung v. 2.2.2007.

Ursula Krause-Schmitt: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Baden-Württemberg II. Frankfurt-Bockenheim 1997, S. 75.

Hansjörg Noe: "Nun kann ich darüber sprechen..." Zeitzeugen, Tagebücher und autobiographische Dokumente zum Nationalsozialismus in Lörrach. Lörrach 2015, S. 53, 71, 72, 79, 80.

 

© Text und Recherche
Roland Maier, Stuttgart
Stand: August 2021
www.kz-mauthausen-bw.de