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Gottlieb Fügel (1899 - 1942)

Häufig aus der Not heraus gehandelt

06.12.1942 im KZ Mauthausen
11.12.1942 im KZ Gusen
22.12.1942 Tod im KZ Gusen

Gottlieb Fügel wurde am 16. Februar 1899 in Plattenhardt, einem heutigen Teilort von Filderstadt, geboren. Dort wuchs er zusammen mit seinen sechs Geschwistern auf und besuchte die örtliche Volksschule. Anschließend arbeitete er als Pferdeknecht und in der Landwirtschaft.
Beide Eltern litten an Tuberkulose, einer Lungenkrankheit, gegen die es damals noch keine Medikamente gab. Gottlieb war 12 Jahre alt, als sein 47 Jahre alter Vater im Mai 1911 verstarb, ein Bruder vier Jahre später infolge einer Lungenentzündung.

Laut der Eintragungen des Strafregisters vom 22. Februar 1930 war er im April 1929 bereits 16 Mal vorbestraft und hatte verschieden hohe Gefängnisstrafen hinter sich. Im Dezember 1916 stand der damals 17-Jährige erstmals wegen „schweren Diebstahls“ vor Gericht und wurde dafür mit vier Monaten Gefängnis bestraft. Weitere Anklagen erfolgten wegen Bettelns, Betrugs, Diebstahls, Fälschung, Unterschlagung. Betrogen hatte er zum Beispiel einen Bekannten, indem er sich einen Handkoffer im Wert von sechs RM auslieh, diesen jedoch nicht mehr zurück gab, sondern gegen ein Sporthemd eintauschte. Mehrere Fahrraddiebstähle gingen auf sein Konto. In einem Fall entwendete er von seinem Arbeitgeber, einem Landwirt, ein Fahrrad im Wert von 75 RM. Vor Gericht begründete er sein Handeln damit, er hätte dem Landwirt einen Denkzettel für die schlechte Bezahlung verpassen zu wollen. Ein nächstes Mal verkaufte er ein von ihm geliehenes Fahrrad im Wert von 15 RM. Am 27. Januar 1930 verurteilte ihn das Schöffengericht Stuttgart zu drei Jahre, sechs Monate Gefängnis und einer fünfjährigen Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. Flügel hatte in Ulm den Fahrer der Sauerkrautfabrik Echterdingen um Mitnahme bis Echterdingen gebeten. Unterwegs gab er vor „austreten“ zu müssen und bat dafür um einen kurzen Stopp. Er nutzte einen Moment der Unaufmerksamkeit des Fahrers, schnappte sich die Geschäftsbücher zusammen mit dem Bargeld in Höhe von 354,87 RM und machte sich eiligst talwärts davon. Der Fahrer erstattete noch am selben Tag Anzeige bei der Landjägerstelle in Plattenhardt und Fügel wurde am 6. Dezember 1929 auf dem Bahnhof in Plochingen festgenommen. Nach seiner Entlassung aus dem Ludwigsburger Gefängnis im Juli 1933 gab es eine weitere Verurteilung zu drei Jahren und zwei Monaten Gefängnis, die er von September 1934 bis September 1937 wiederum in Ludwigsburg verbüßt hat. Auf dem Aktendeckel seiner Strafgefangenakte befindet sich am unteren rechten Rand ein kleiner Aufkleber mit dem Vermerk „Überhaft“. Dies lässt darauf schließen, dass Fügel unmittelbar nach seiner Entlassung im September 1937 in ein Konzentrationslager eingewiesen wurde, auch wenn darüber bisher keine Nachweise vorliegen. Darauf verweist auch die Diagnose eines Arztes des Gefängniskrankenhauses Hohenasperg vom September 1934. Er hielt schriftlich fest, Fügel habe schon mehrere Strafen verbüßt, sei „nicht geisteskrank und unzurechnungsfähig“ und die Beobachtung habe nichts ergeben, „was eine erneute Bestrafung und auch die Sicherungsverwahrung ausschließen würde.“

Image
Transportliste
Transportliste SV-Häftlinge, 26.11.1942 bis 10.02.1943

Belegt ist die Ankunft Fügels im Konzentrationslager Mauthausen am 6. Dezember 1942. An diesem Tag traf ein Transport mit „158 Sicherungsverwahrten“ ein. In den Unterlagen des KZ Mauthausen wurde er als „BV“ (Berufsverbrecher) und als „SV“ (Sicherungsverwahrung) geführt. Anstelle seines Namens war er nun zum Häftling Nummer 16010 geworden, der mit dem grünen Winkel der „Kriminellen“ gekennzeichnet war. Fünf Tage später wurde Fügel in das nahegelegene KZ Gusen überstellt. Nach nur elf Tagen ist er dort am 22. Dezember 1942 im Alter von 42 Jahren an „eitrigem Dickdarmkatarrh“ verstorben. Die in den Todesmeldungen angeführten Todesursachen waren häufig fingiert und verschleierten die wahren Gründe. Die meisten KZ-Häftlinge gingen an den Lebens- und Arbeitsbedingungen zugrunde.
 
Im „Raum der Namen“ auf der Homepage der Gedenkstätte Mauthausen wird Gottlieb Fügel zusammen mit mehr als 84.000 im Lagersystem Mauthausen verstorbenen Häftlingen genannt. Dies ist vermutlich ein erster und bislang einziger öffentlicher Hinweis auf sein Verfolgungsschicksal.

Die Markierung in der Übersichtskarte zeigt auf den Wohnort vor der Verhaftung in der Pfarrstraße 21 in Stuttgart.


Quellen
Staatsarchiv Ludwigsburg StAL E 356 V Bü 511

ITS Digital Archive, Arolsen Archives:
1.1.26. Inhaftierungsdokumente Mauthausen/ Gottlieb Fügel

Memorial Mauthausen https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/

Bildnachweis
Zugangsliste Mauthausen, ITS Digital Archive, Arolsen Archives


© Text und Recherche:
Ingrid Bauz, Stuttgart
Stand: August 2021
www.kz-mauthausen-bw.de