Gottlieb Knecht (1877 - 1942)
26.08.1935 Anordnung der Sicherungsverwahrung
Ende November oder Anfang Dezember 1942 KZ Mauthausen
21.12.1942 Tod im KZ Gusen
Gottlieb Knecht wurde am 5. April 1877 in Gerlingen (bei Stuttgart) geboren. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine Metzgerlehre, arbeitete aber nach der abgeschlossenen Lehre als Dienstknecht in der Landwirtschaft. Am Ersten Weltkrieg nahm er von 1916 bis 1918 als Soldat teil. Im Oktober 1918 wurde er wegen Krankheit aus dem Militärdienst entlassen. Wie bei vielen Häftlingen, die als Sicherungsverwahrte in das KZ Mauthausen deportiert wurden, standen uns auch bei Gottlieb Knecht für seine Vita lediglich seine Zuchthaus-Personalakte als Quelle zur Verfügung. Diese Personalakte enthält unter anderem verschiedene Gutachten der Zuchthausdirektion und die Urteilsbegründung mit Anordnung der Sicherungsverwahrung.
In der Zeit zwischen 1903 und 1933 erhielt Gottlieb Knecht insgesamt 19 Gefängnisstrafen wegen Diebstahls und Betrugs. 1934 wurde er wegen solcher Delikte erstmalig zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. Das Abschlußgutachten des Zuchthauses Ludwigsburg vom 21. Juni 1935 kam zu dem Schluss:
„… Wie Knecht auf diese Wege kam, ist schwer zu sagen, erbliche Belastung liegt nicht vor. Er ist auch der Einzige aus der Familie, der aus der Art schlug. Sein Handwerk hätte ihm zudem die Möglichkeit gegeben, sich ehrlich durchzubringen. Es scheint bei ihm eine krankhafte Willensschwäche vorzuliegen, die sich auch darin äussert, dass er bei der Arbeit nicht aushält, wenn nicht, wie in der Strafanstalt, der Zwang hinter ihm steht. Hier war er fleissig und willig und hat sich durchweg gut gehalten. Er ist ein gutmütiger und ruhiger Mensch, aber die Hoffnung, dass er noch den Weg zu einem geordneten Leben zurückfinden werde, ist sehr gering, zumal ihm in seinem vorgeschrittenen Alter sich eine Arbeitsmöglichkeit kaum bieten dürfte. Die soziale Prognose muss als ungünstig bezeichnet werden.“
Am 26. August 1935 wurde er vom Schöffengericht Stuttgart wegen vier Verbrechen des Betrugs im Rückfall zu 2 Jahren Zuchthaus mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Begründet wurde dies vom Gericht folgendermaßen:
„Die Verhängung der Sicherungsverwahrung über den Angeklagten war unbedingt geboten, nachdem im Urteil des Schöffengerichts Stuttgart I vom 26.2.1934 ihre Verhängung dem Angeklagten angekündigt worden war für den Fall einer abermaligen Verfehlung. Wenn auch die verursachten Schäden nicht gerade hoch sind, so muss doch berücksichtigt werden, dass der Angeklagte in ganz ähnlicher Weise schon wiederholt betrogen hat, dass er bei seiner ganzen fragwürdigen Persönlichkeit nur wenig erfahrene, in bescheidenen Verhältnissen lebende Leute betrügen kann und dass er gerade für solche Kreise höchst gefährlich ist, wie auch die Landesstrafanstalt Ludwigsburg in ihrem Abschlussgutachten vom 21.6.1935 betont hat, mit 'Wiederholung von ähnlichen Straftaten ist mit Sicherheit zu rechnen'. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung war daher geboten.“
Im Zuchthausabschlussgutachten vom Juli 1937 hieß es:
„… An seinem Wesen hat sich wenig geändert, er ist ein haltloser und schwacher Mensch, dem es an der Energie fehlt, gutmütig, ruhig scheint er und so ist es verständlich, daß er auf Leute, die ihn nicht kennen, einen vertrauenserweckenden Eindruck macht. In Wirklichkeit ist er ein gewissenloser Ich-Mensch, der sich um die Folgen seiner Sraftaten wenig kümmert und sich wohl ganz aufgegeben hat. Aus eigener Kraft kommt er kaum mehr zurecht. Gefährlich im Sinne der Gewalttätigkeit ist er keineswegs, aber gefährlich im Sinne des Mißbrauchs vertrauensseliger Leute bleibt er auch weiterhin.
Die soziale Prognose ist nach wie vor u n g ü n s t i g.“
Am 24. Juli 1937 meldete das Zuchthaus Ludwigsburg: „... liefern wir den Zuchthausgefangenen Gottlieb Knecht von Gerlingen, dessen Strafe am 26. Juli 1937, 11 Uhr 53 Min. hier zu Ende geht, auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 27. August 1935 – J.Nr. 13470/35 – zwecks Überführung in Sicherungsverwahrung zu.“ Sofort nach Strafende wurde Knecht in die Sicherungsungsanstalt (eine Abteilung im Gefängnis, in die die Sicherungsverwahrten nach Strafverbüßung in den Maßregelvollzug überführt wurden) Straubing verbracht.
Im September 1942 vereinbarte Reichsjustizminister Otto Georg Thierack mit dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler die schubweise Auslieferung aller Sicherungsverwahrten, die bisher der Justiz unterstanden und in den Sicherungsanstalten einsaßen, an die Polizei (nur Gestapo oder Kripo konnten, per Antrag beim Reichsicherheitshauptamt, KZ-Einweisungen vornehmen). In den Konzentrationslagern sollten sie - wie es explizit hieß - der „Vernichtung durch Arbeit“ preisgegeben werden. Am 26. November 1942 traf der erste Transport mit 216 Sicherungsverwahrten aus der Sicherungsanstalt Regensburg im Konzentrationslager Mauthausen ein. Bis zum Jahresende 1942 kamen noch fünf weitere Transporte, meist aus bayrischen Sicherungsanstalten, mit insgesamt 3244 reichsdeutschen Sicherungsverwahrten nach Mauthausen (weitere folgten dann 1943). Die meisten von ihnen kamen innerhalb kürzester Zeit zu Tode.
Mit welchem Transport Gottlieb Knecht ins Lager kam, wissen wir nicht, auch seine Häftlingsnummer ist uns unbekannt Er muss aber bei einem der ersten Transporte dieser Art gewesen sein, da er bereits am 21. Dezember 1942 im nahegelegenen KZ Gusen verstorben ist. Er wurde 65 Jahre alt.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Gottlieb Knechts Geburtsort Gerlingen (im heutigen Landkreis Ludwigsburg).
Quellen
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Gottlieb Knecht
Staatsarchiv Ludwigsburg
E 356 d V Bü 750
Memorial Mauthausen
(https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)
© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: November 2025
www.kz-mauthausen-bw.de