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Heinz Leible (1913 - 1943)

06.08.1938 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
30.08.1941 KZ Gusen
06.09.1943 Tod im KZ Mauthausen

Heinz Leible wurde am 10. Juli 1913 in Lörrach geboren und katholisch getauft. Die Eltern, Julius und Julie Leible führten hier einen Tabakladen und ein Porzellanwarengeschäft. Die sechsköpfige Familie - Franz hatte zwei Brüder und eine Schwester - wohnte in der Wallbrunnstraße 10.

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Leible, Heinz, Stolpersteinfoto
Heinz Leible (Foto: Privat Familie Leible/ Stolpersteine Lörrach)

Für drei Jahre besuchte er eine Internatsschule in Meersburg am Bodensee und erlernte anschließend den Beruf des Speditionskaufmanns. Noch während seiner Ausbildung sammelte er Berufserfahrung in Italien und Frankreich und erwarb sich jeweils gute Fremdsprachenkenntnisse. Er wird als fröhlicher junger Mann mit ausgesprochen musikalischem Talent beschrieben.

Im Oktober 1936 wurde Heinz Leible, wegen gemeinsamen Onanierens mit drei anderen jungen Männern in Lörrach verhaftet. Im Juni 1935 war der Straftatbestand des § 175 beträchtlich erweitert und das Strafmaß deutlich erhöht worden. Sämtliche sexuellen Handlungen zwischen Männern waren nun unter Strafe gestellt. Am 7. April 1937 verurteilte ihn das Landgericht Freiburg nach Paragraf 175 des Reichsstrafgesetzbuchs wegen "gleichgeschlechtlicher Handlungen" zu 10 Monaten Gefängnis, vier Monate wurden ihm wegen guter Führung auf Bewährung erlassen.

In Lörrach konnte oder wollte er jedoch nicht bleiben und er zog nach Karlsruhe um. Dort wurde er im Herbst 1937 wegen eines ähnlichen Delikts erneut verhaftet und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Hinzu kamen noch die vier Monate Bewährung von seiner vorherigen Verurteilung. Am 13. März 1938 schrieb er seinen Eltern aus dem Karlsruher Gefängnis: "Ich weiß, dass ich euch nie mehr so etwas antue", und dass er hoffe, nach der Musterung zum Kriegsdienst eingezogen zu werden.

Doch seine Hoffnung erfüllte sich nicht. Warum die Gestapo Karlsruhe trotz der auch nach damaligen Maßstäben relativ geringfügigen Delikte zum damaligen Zeitpunkt Schutzhaft über Heinz Leible verhängte, lässt sich nicht ganz nachvollziehen. Bei Homosexuellen wurde erst ab 1940 nach Strafende systematisch eine KZ-Einweisung als Schutz- oder Vorbeugehäftling in Betracht gezogen. Fast scheint es, als sollte an ihm ein frühes Exempel statuiert werden.

Am 6. August 1938 wurde Heinz Leible vom Gefängnis Heidelberg ins Konzentrationslager Dachau überführt, wo er als "Schutzhäftling § 175" die Häftlingsnummer 18363 erhielt und den rosa Winkel der homosexuellen Häftlinge tragen musste. Im Zuge der vorübergehenden Räumung des Lagers Dachau für Ausbildungszwecke der SS wurde er dann am 27. September 1939 zusammen mit rund 1600 weiteren Dachau-Häftlingen in das KZ Mauthausen verbracht. Hier erhielt er die Häftlingsnummer 864 und wurde dem Stammblock 7 zugewiesen. Am 30. August 1941 wurde er ins nahegelegene KZ Gusen überstellt und musste im dortigen Steinbruch Schwerstarbeit verrichten. Vermutlich wegen seiner kaufmännischen Ausbildung und seiner Sprachkenntnisse gelang es ihm, später einer der Schreibstuben der Lagerverwaltung zugeteilt zu werden.

In 55 erhaltenen Briefen an seine Eltern und Geschwister entschuldigt er sich immer wieder für den Kummer, den er ihnen durch seinen Leichtsinn bereitet habe. Durch die schwere Arbeit habe er sich geändert, er werde künftig "seinen Mann stellen". Er wolle ihnen "nur Freude bereiten" und "eine solche Chance [er hoffte auf eine Freilassung] ... kein zweites Mal verscherzen". Dass sie zu ihm hielten, gebe ihm "stets neuen Mut und Kraft" und er sei überzeugt, dass das Wiedersehn nun wirklich nicht mehr fern sei.

Heinz Leible wusste, dass die Briefe streng zensiert wurden. Ein Teil der Aussagen wie "er werde künftig seinen Mann stellen" war sicher auch für die Zensoren geschrieben. Er spürte aber auch, dass Eltern und Geschwister unter seiner sozial auch als familiärer Makel wahrgenommenen sexuellen Orientierung litten und versicherte ihnen, sich geändert zu haben. Er beschwor sie, ihn weiterhin als ihren Sohn zu unterstützen. Die vielfach geäußerte Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen sollte wohl Schreiber wie Empfängern Mut zusprechen.

Was er nicht wusste, war, dass Eltern und Geschwister mit zahlreichen Gnadengesuchen und Eingaben aller Art an die Stapoleitstelle Karlsruhe, an den Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) Reinhard Heydrich, an die Reichskanzlei in Berlin sowie an zahlreiche weitere Dienststellen verzweifelt versuchten, Heinz Leible frei zu bekommen - jedoch ohne jeglichen Erfolg.

Nach den Aussagen des Mithäftlings Willy Votel wurde er am 6. September 1943 vom Lagerkommandanten schwer misshandelt und schließlich erdrosselt, weil er versucht haben soll, einen Brief an seine Familie aus dem Lager zu schmuggeln. Die Leiche sei noch am selben Tag verbrannt worden. Als offizielle Todesursache wurde "Selbsttötung durch Erhängen" angegeben. Nach Kriegsende sprach die Familie Leible davon, Heinz sei "im Krieg geblieben" oder Heinz sei "aus dem Krieg nicht zurückgekommen". Über einen Wiedergutmachungsantrag seitens der Familie ist nichts bekannt.

Im November 1988 fragte der Journalist Franz Schmider beim Internationalen Suchdienst (International Tracing Service; ITS) in Arolsen an, ob Informationen zu einem Heinz Leible vorlägen. Er wolle einen Artikel darüber schreiben. Anders als heute üblich, konnte ihm der Suchdienst damals noch keine Auskünfte erteilen: "Zur Auskunft berechtigt sind ausschließlich ehemalige Verfolgte, ihre nächsten Angehörigen sowie Wiedergutmachungsbehörden und andere öffentliche Stellen, die im Interesse der Verfolgten anfragen. Drittpersonen erhalten nur Auskunft mittels einer entsprechenden Vollmacht eines Angehörigen." Aber Franz Schmider blieb an dem Fall dran. Die archivrechtlichen Bestimmungen änderten sich, der Zugang wurde für Nichtbetroffene einfacher und so erschienen in der Badischen Zeitung am 27. April 2001 und am 29. Oktober 2013 zwei Artikel, in denen die Verfolgung und der Leidensweg von Heinz Leible nachgezeichnet wurden.

Am 24. September 2020 wurde vor dem Haus Wallbrunnstraße 10 in Lörrach ein Stolperstein für Heinz Leible verlegt.

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Leible, Heinz, Stolpersteinfoto
Stolperstein für Heinz Leible

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt das Elternhaus Heinz Leibles, Wallbrunnstraße 10 in 79539 Lörrach.

 

Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen, Heinz Leible
1.1.6.2. Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Dachau, Heinz Leible
1.1.6.7 Schreibstubenkarten Dachau/Heinz Leible
1.1.6.1 Listenmaterial Dachau / Zugangsbücher des KZ Dachau, Dokument 130429351 Korrespondenzakte T/D - 1 215 436
DocID: 131538733, Totenbuch Heinz Leible

Staatsarchiv Freiburg
F 176/19 Nr. 9406 (Staatsanwaltschaft Freiburg 1936)

Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

Memorial Mauthausen
(https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)

www.der-liebe-wegen.org/?profil=heinz-leible (Biografie von William Schäfer)

www.loerrach.de/de/Loerrach-Erleben/Kultur/Stolpersteine/Heinz-Leible (Biografie von Dr. Markus Hofmann)

Badische Zeitung vom 27.4.2001 und vom  29.10.2013


© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: November 2022
www.kz-mauthausen-bw.de