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Josef Baumhauer

(geb. 1914)

Ein forensischer Patient

 

30.01.1941 Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd mit Anordnung der Einweisung in eine geschlossene Heil- und Pflegeanstalt
23.03.1944 KZ Mauthausen

 

Josef Baumhauer wurde am 8. März 1914 in Schwäbisch Gmünd geboren. Er war katholisch getauft, ledig und als Hilfsarbeiter in verschiedenen Betrieben tätig. Seit seinem 14. Lebensjahr litt er an epileptischen Anfällen und wurde deshalb 1935 auf der Grundlage des im Januar 1934 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli1933 zwangssterilisiert.

In einem Brief an den Arbeitsausschuss des Kreises Schwäbisch Gmünd, Betreuungsstelle für KZ-Häftlinge, vom 10. Januar 1946 schrieb er hierzu:
"Seit meinem 14. Lebensjahr leide ich an epileptischen Anfällen und wurde auf Grund der von den Nazis geschaffenen Gesetze 1935 sterilisiert. Wenn ich mich trotz meines Leidens bis dahin als vollwertiger Mensch gefühlt und gehandelt [sic] habe, betrachtete ich mich ab jetzt als Mensch 2. Klasse. Ich muss nun allerdings zugeben, dass ich, um meine Herabsetzung zu vergessen, den falschen Weg beschritten habe und mich dem Genuss des Alkohols hingab."

Um sich das hierfür nötige Geld zu beschaffen beging er kleinere Straftaten. Im Juli 1937 musste er wegen einer Unterschlagung drei Wochen ins Gefängnis, im August 1937 wurde er vom Amtsgericht Koblenz zu zwei Wochen Gefängnis wegen Bettelei und im Januar 1938 vom Amtsgericht Schwäbisch Gmünd wegen Diebstahls zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Im Mai 1940 wurde vom Oberstaatsanwalt beim Landgericht Ellwangen ein Verfahren wegen Unterschlagung eingestellt, aber bereits die Einweisung in eine Heilanstalt beantragt. Später im selben Jahr stahl er seinem damaligen Arbeitgeber ein Fahrrad: "Ich glaubte, damals hierdurch eine nach meiner Ansicht zu Recht bestehende Lohnforderung ausgeglichen zu haben."

Im darauf folgenden Urteil des Amtsgerichtes Schwäbisch Gmünd vom 30. Januar 1941 wegen Betrugs und Diebstahls wurde die Unterbringung in der Heilanstalt Zwiefalten angeordnet.

In dem oben zitierten Brief beschrieb Josef Baumhauer, was er und andere Patienten erdulden mussten:
„Ich glaube, dass allein meine Leiden in dieser sogenannten Heil- und Pflegeanstalt genügt hätten, um selbst das schwerste Verbrechen zu sühnen. […] Anführen möchte ich hier nur, dass ich wegen einer angeblichen Widersetzung ein dreiviertel Jahr in einer im Winter ungeheizten Zelle untergebracht wurde. Die Verpflegung war ungenügend. Die mir verabreichten Spritzen und das Einnehmen von Skoplonin hätten m.E. genügt, um mich bei einer weniger guten Konstitution ganz unschädlich zu machen. […] Bettlägerich [sic] Erkrankte wurden mit harten Gegenständen wie Schlüsselbund, Schrubberstiel usw. behandelt. Ich habe mich gegen diese Behandlung immer aufgelehnt und mein Missfallen deutlich und klar zum Ausdruck gebracht.“
Er vermutete, dass er deshalb, obwohl er eigentlich hätte entlassen werden können, ins KZ Mauthausen deportiert wurde, und zwar auf maßgebliches Betreiben einer Assistenzärztin namens Jenes, die großen Einfluss in der Anstalt in Zwiefalten gehabt habe.

Am 21. März 1944 wurde Josef Baumhauer zusammen mit elf Leidensgenossen von Kripobeamten in Zwiefalten abgeholt und per Sammeltransport über Schwäbisch Hall in das KZ Mauthausen überführt. Bei der Ankunft im Konzentrationslager am 23. März 1944 erhielt er die Häftlingsnummer 59274 und wurde, wie alle forensischen Patienten im KZ Mauthausen, als „Sicherungsverwahrter“ kategorisiert und registriert. Vom 7. April bis 4. Juni 1944 lag er im Krankenrevier, ab 5. Juni war er als Hilfsarbeiter im Eisenwerk des KZ Linz III eingesetzt.

Er erlebte die Befreiung und kehrte zurück nach Schwäbisch Gmünd. Zusammen mit einem Freund wollte er dort ein Fuhrgeschäft aufbauen und beantragte deshalb Anfang September 1945 bei der Betreuungsstelle für KZ-Häftlinge Schwäbisch Gmünd die Zuweisung eines kleinen LKW aus Wehrmachtsbeständen. Das Ersuchen wurde zunächst von verschiedenen Stellen, unter anderem sogar vom Innenministerium, positiv beschieden und Josef Baumhauer entsprechende Unterstützung zugesagt.

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Baumhauer, Josef, WG
Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I Bü 1198

Dann jedoch wurde diese Zusage plötzlich zurückgenommen mit der Begründung, er sei ja gar nicht aus politischen sondern aus kriminellen Gründen ins KZ gekommen.

In einem Brief an das Amt für Wiedergutmachung schrieb Baumhauer hierzu am 15. April 1946:
„Da Sie auf Grund meiner Vorstrafe es ablehnen meinen Fall zu bearbeiten […] . Ich bin nach Zwiefalten gefahren und habe hier in Erfahrung gebracht, dass der ehemalige Oberpfleger verhaftet worden [sic] und in Münsingen sitze. Daraufhin fuhr ich ihm nach und brachte mein Anliegen auf der Gendarmerie Française vor. Somit wurde mir Oberpfleger [Karl] Burgert vorgeführt, der folgendes sagte: […] 'Soviel ich weiß mussten Sie für einen anderen einspringen. […] Als die 12 Mann aus Zwiefalten nach Mauthausen überführt werden sollten, habe ich auf dem Zimmer der Oberpfleger die Liste mit den Namen der betreffenden Leute gesehen und ich glaube, dass damals der Name Baumhauer noch nicht auf derselben enthalten war.' Inzwischen habe ich festgestellt, dass der Name Baumhauer an Stelle des inzwischen erkrankten Weidenbacher gesetzt wurde.“
Er könne das Original mit Unterschrift des Oberpflegers und eines Dolmetschers vorlegen.
Weiter schrieb er, dass er kein Geld wolle, sondern nur die erneute Zulassung seines Gewerbes. Diese war ihm wieder entzogen worden, weil er keinen LKW vorzuweisen hatte. Inzwischen hätten sie aber ein entsprechendes Fahrzeug erworben, sich „aus allen Gauen Deutschlands“ Ersatzteile beschafft und demnächst würde es fahrtüchtig sein.

Aber alle seine Eingaben halfen nichts. Das Amt für Wiedergutmachung bedauerte wie üblich, dass nur politisch Verfolgten Wiedergutmachung zustünde und er sei nun mal kriminell gewesen:
„Wir können daher nichts in ihrer Angelegenheit unternehmen, wünschen aber, dass es Ihnen gelingen möge, unter den jetzigen Bedingungen auf eine bessere Art im Leben Fuss zu fassen."

Über das weitere Schicksal Josef Baumhauers konnten wir nichts in Erfahrung bringen.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die elterliche Wohnung von Josef Baumhauer in der Rappenstraße 2 in Schwäbisch Gmünd (Haus existiert nicht mehr).

 

 

 

Quellen

 

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Josef Baumhauer
1.1.26.8 Häftlings-Personal-Karten Mauthausen, Josef Baumhauer

Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 1198

 

 

© Text und Recherche:

Sigrid Brüggemann, Stuttgart

Stand: Oktober 2023

www.kz-mauthausen-bw.de