Julius Baumann (1898 - 1942)
Ein jüdischer Stuttgarter Sportler
Julius Baumann wurde am 20. Januar 1898 als Sohn des jüdischen Ehepaars Heinrich Baumann und Fernanda, geborene Oppenheimer, in Stuttgart geboren. Er war von Beruf Kaufmann, blieb zeitlebens unverheiratet, und genoss einen Ruf als hervorragender Sportler, der sich bei den „Stuttgarter Kickers“ zudem als Schiedsrichter betätigte. Nach der NS-Machtübernahme verständigten sich jedoch auf Initiative der „Kickers“ am 9. April 1933 die Vorsitzenden von 14 süddeutschen Spitzenvereinen darauf, jüdische Mitglieder aus ihren Vereinen zu entfernen. Baumanns sportliche Aktivitäten beschränkten sich fortan auf das jüdische Vereinswesen. In der im Zuge der kulturellen Ausgrenzung 1935 errichteten „Jüdischen Sportschule“ in Stuttgart fand er ein zusätzliches Wirkungsfeld. Während der Sommerferien organisierte er den außerschulischen Waldheimaufenthalt für jüdische Kinder.
Als nach dem Novemberpogrom 1938 die Gestapo die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung forcierte, entschied sich Baumann – trotz einer sich ihm bietenden Gelegenheit nach England auszuwandern – gegen die Emigration, um weiter für die in der Heimat verbliebene jüdische Gemeinde wirken zu können.
Baumann engagierte sich für die Israelitische Kultusvereinigung in Stuttgart. Er tat dies auch noch zu einer Zeit, als diese bereits völlig unter der Kontrolle der Gestapo stand. So war bei der ersten Deportation aus Württemberg und Hohenzollern am 1. Dezember 1941, bei welcher über 1000 jüdische Personen nach Riga verschleppt wurden, das sogenannte „Kommando Baumann“ für den Gepäcktransport zuständig. Unter den Verschleppten befand sich auch Baumanns Schwester Berta mit ihrem Gatten, die beide nicht überlebt haben. Julius Baumann selbst zählte als Angestellter der Kultusvereinigung nicht zu dem für die ersten Deportationen vorgesehenen Personenkreis.
Als 1941/42 die jüdische Wohnbevölkerung in „Judenhäuser“ und in ländliche Altersheime umziehen musste, hatte Baumann die hierbei erforderlichen Möbeltransporte mit Hilfe einer Speditionsfirma durchzuführen. Dies nutzte er zur Tarnung, um jüdische Personen zusätzlich mit Nahrungsmitteln versorgen zu können. Er wies einen nichtjüdischen Speditionsmitarbeiter – Wilhelm Müller – an, zwei- bis dreimal wöchentlich größere Mengen an Lebensmitteln in der Stuttgarter Markthalle zu erwerben, die dann jeweils mit Möbelwagen, die zu den Umzugsorten fuhren, zur Verteilung gelangten. Auch Angestellte der Israelitischen Kultusvereinigung erhielten Obst, Gemüse und Fisch. Als die Polizei im Frühsommer 1942 feststellte, dass Müller Waren von der Markthalle ins jüdische Gemeindezentrum schaffte, wurde dieser vorübergehend festgenommen und schließlich, nachdem er erneut einen Handwagen mit Gemüse beladen hatte, Ende Juli 1942 endgültig inhaftiert. Müller erklärte bei seiner Vernehmung durch die Gestapo wahrheitsgemäß, dass er nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Weisung Baumanns gehandelt habe. Unmittelbar darauf wurde Baumann verhaftet. Der Transportarbeiter Müller kam für etwa ein halbes Jahr in das Konzentrationslager Dachau. Für Baumann schien Hoffnung zu bestehen, da er mit dem zuständigen Sachbearbeiter im Judenreferat der Stuttgarter Gestapo-Leitstelle, dem Kriminalangestellten Amthor, als früherem Mitsportler bei den „Kickers“ per „Du“ war. Nichtsdestotrotz kam Baumann ins Konzentrationslager Mauthausen, wo er am 1. Oktober 1942 angeblich „auf der Flucht erschossen“ wurde.
Julius Baumann lebte von 1935 bis 1939 in in Stuttgart in der Oberen Bachstraße 29, heute: Eberhardstraße 35. Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt diese Adresse.
Quellen und Literatur
Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 4105, Bü 38594;
EL 903/2 Bü 2
www.stolpersteine-stuttgart.de.
Ingrid Bauz u.a. (Hrsg.): Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern. Stuttgart 2013, S. 287f.
© Recherche und Text:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Januar 2015
www.kz-mauthausen-bw.de