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Karl Bay (1913 - 1943)

„Auf der Flucht erschossen“

1933 4 Monate Schutzhaft
07.05.1938 Festnahme
25.03.1939 Entlassung aus Strafhaft
01.07.1943 Tod im KZ Mauthausen

Karl Bay wurde am 15. Februar 1913 in Stuttgart-Degerloch als Sohn des Zuschneiders Karl Bay und seiner Ehefrau Mathilde, von Beruf Weberin, geboren. Karl Bay hatte eine Schwester. Nach acht Jahren Volksschule absolvierte er eine vierjährige Lehre zum Elektromonteur bei der Stuttgarter Firma Rothacker. 1932 war er einige Zeit arbeitslos. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 kam er als Sympathisant der Kommunistischen Partei (KPD) vier Wochen in Schutzhaft.

Seit 1937 war er mit der „Dirne“ Eugenie G. verlobt, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zufolge im Wesentlichen für seinen Lebensunterhalt sorgte. Er selbst habe nur gelegentlich gearbeitet. Er wohnte teils bei seinen Eltern, teils in seinem Zimmer in der Jakobstraße in der Stuttgarter Altstadt.

Am 7. Mai 1938 wurde Karl Bay verhaftet. Zu diesem Zeitpunkt war er zwar noch nicht vorbestraft, aber es waren sieben Verfahren wegen Betrug, schwerem Diebstahl, Körperverletzung u.a. gegen ihn anhängig gewesen. Drei der Verfahren waren mangels an Beweisen, drei weitere Verfahren wegen gemeinschaftlich begangener Einbruchsdiebstähle aufgrund des Straffreiheitsgesetzes vom 30. April 1938 eingestellt worden. Ebenfalls eingestellt wurde ein Verfahren wegen Zuhälterei, da zwischen den beiden Beteiligten ein Liebesverhältnis bestand.

In einem erneuten Verfahren verurteilte ihn die 4. Strafkammer Stuttgart am 24. Juni 1938 wegen Zuhälterei zu 10 Monaten Gefängnis. Unter Anrechnung von einem Monat Untersuchungshaft sollte die Entlassung am 25. März 1939 erfolgen. Ein Gnadengesuch Karl Bays wurde am 16. Februar 1939 vom Vorstand des Strafgefängnisses Rottenburg Lupfer nicht befürwortet, da Bay sich „aus der Sucht, ein bequemes Leben zu haben, regelrecht verlottern“ habe lassen. Er habe sich seit den letzten Monaten zwar ehrlich bemüht, aber zu seiner weiteren Festigung wäre der Vollzug der ganzen Strafe geboten. Der Oberstaatsanwalt schloss sich dieser Beurteilung an.

Welche staatlichen Maßnahmen auf die Entlassung aus der Strafhaft folgten, ist nicht dokumentiert. Möglicherweise kam Bay einige Zeit auf freien Fuß, wahrscheinlicher aber wurde er gemäß dem staatspolizeilichen Routineverfahren der „Korrektur“ der richterlichen Haftstrafe gleich am Ende seiner Justiz-Strafhaft in polizeiliche Schutzhaft genommen und in ein Konzentrationslager eingewiesen.

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt kam er in das KZ Mauthausen als Häftling Nummer 2916 „Polit. Sch.“ (Politisch Schutzhaft) und wurde dort dem Block 5 zugewiesen. Da die relativ niedrige Häftlingsnummer darauf hindeutet, dass er noch im Jahr 1939 nach Mauthausen kam und ein Aufenthalt im KZ Dachau nicht nachgewiesen ist, kann man davon ausgehen, dass er von der Stuttgarter Gestapo nach seiner Strafhaft direkt ins KZ Mauthausen eingewiesen worden war.

Bis zum 29. Juni 1943 arbeitete er als Monteur in dem kleinen Mauthausen-Außenkommando St. Lambrecht in der Steiermark. Am 1. Juli 1943 um 15.45 Uhr wurde er im KZ Mauthausen ermordet. Offizielle Todesursache: „auf der Flucht erschossen“. Karl Bay wurde 30 Jahre alt.

Seit Ende der 1950er Jahre wurde gegen den ehemaligen III. Schutzhaftlagerführer des KZ Mauthausen Anton Streitwieser (1916-1972) wegen zahlreicher Gewaltverbrechen ermittelt. Unter anderem wurde ihm auch vorgeworfen, 1943 den Elektriker Karl Bay zu Tode gequält zu haben. 1967 wurde Streitwieser zu einer lebenslangen plus siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Da die Liste der ihm vorgeworfenen Gewaltdelikte und Morde von schier unfassbarem Umfang ist, konnte von uns bei der Sichtung des Verfahrens in der Sammlung „Justiz und NS-Verbrechen“ nicht abschließend geklärt werden, ob er auch des Mordes an Karl Bay überführt und deswegen verurteilt wurde.

Einen Hinweis auf einen Wiedergutmachungsantrag im Fall Karl Bay wurde bisher nicht gefunden.

Die Markierung auf der Übersichtskarte verweist auf die Jakobstraße in 70182 Stuttgart, wo Bay vor seiner Verhaftung ein Zimmer hatte.

Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen – Karl Bay
Korrespondenzablage T/D - 777 350

Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 48/2 I Bü 1215 (= LKA, Voruntersuchungssache gegen Schulz und Streitwieser, 1961)

Staatsarchiv Sigmaringen
Wü 32/2 Z. 1991/89 Nr. 5294

C.F. Rüter (Bearb.): Justiz und NS-Verbrechen, Sammlung deutscher Strafurteile Bd. XXVI, Verfahren gegen Streitwieser u. Schulz, S. 585-832.

Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Wien Linz 3. Aufl. 1995, S. 110.


© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: November 2022
www.kz-mauthausen-bw.de