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Leonhard Huber (1896 - 1942)

KZ-“Steinmetzlehrling“

1933 KZ Heuberg (?)

November 1938 (?) U-Haft Mannheim
03.08.1940 KZ Dachau
10.03.1941 KZ Mauthausen/Gusen
19.02.1942 Tod im KZ Gusen

 

Der Arbeiter Leonhard Huber wurde am 26. Januar 1896 im Markt Schierling im Landkreis Regensburg (Bayern) geboren. Seit 1930 lebte er in Stuttgart, zuletzt in der Silberburgstraße 66..1Zu jener Zeit war er bereits verwitwet und hatte fünf Kinder.

Im Jahr 1933 soll er drei Monate in Schutzhaft gewesen sein – sofern diese Information zutrifft, hatten ihn die Nationalsozialisten spätestens zu diesem Zeitpunkt als einen ihrer politischen Gegner ausgemacht und ihn in das KZ Heuberg verschleppt. Huber wurde mehrfach bestraft wegen unterschiedlicher Delikte, bei denen ein politischer Hintergrund allerdings nicht immer klar erkennbar ist. So musste er etwa im Januar 1934 für zwei Wochen ins Gefängnis wegen „groben Unfugs“.

Zu einem unbekannten Zeitpunkt, vermutlich im Oktober/November 1938, wurde Huber verhaftet und kam in Untersuchungshaft nach Mannheim. Am 31. Januar 1939 verurteilte ihn der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnis wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“. Das Strafende war unter Anrechnung der U-Haft am 30. Juni 1940. Nach späteren Angaben seiner Schwester soll er im Anschluss kurze Zeit frei gewesen sein. Es ist aber davon auszugehen, dass die Gestapo ihn entsprechend ihrer häufig praktizierten Routine der "Urteilskorrektur" bald in das Polizeigefängnis Welzheim verbracht hat, um ihn wenig später, am 3. August 1940, in das Konzentrationslager Dachau zu überstellen. Dort trug er die Nummer 14116, Kategorie „Sch“ (Schutzhäftling). Am 10./11. März 1941 kam er mit einem Transport von 150 deutschen „Steinmetzlehrlingen“ von Dachau in das Mauthausen-Konzentrationslager Gusen (Häftling Nummer 11049).

Leonhard Huber verstarb im Alter von 46 Jahren am 19. Februar 1942 im KZ Gusen. Zwei Tage später wurde seine Leiche im dortigen Krematorium eingeäschert.

Auch nach der Zeit des Nationalsozialismus wurde versucht, Huber als sozial und moralisch minderwertigen Menschen abzustempeln. Im Rahmen eines nach dem Krieg auf Antrag von Hubers Sohn eingeleiteten Entschädigungsverfahrens gab die Stuttgarter Staatsanwaltschaft Abt. IV (gez. Ferber) am 15. März 1949 folgenden Bericht:

„Die eingeleiteten Ermittlungen deuteten anfangs daraufhin, dass es sich bei Huber um einen asozialen und arbeitsscheuen Menschen handelte. Die Einsichtnahme in die umfangreichen Wohlfahrtsakten des Huber ergab, dass er vom Jahre 1930 bis zum Jahre 1938 ständig mit kurzen Unterbrechungen der öffentlichen Fürsorge zur Last gefallen ist. In den Außendienstberichten des Wohlfahrtsamtes wird H. sehr ungünstig beurteilt. Er soll ein sehr unordentliches Leben geführt haben und sobald er Geld in der Hand hatte, wurde dieses vertrunken und verraucht, sodass er immer wieder die öffentliche Hand in Anspruch nehmen musste. Aus einem Außendienstbericht vom 10.2.1934 geht ferner hervor, dass H. in der letzten Zeit drei Monate in Schutzhaft war.“

In der durch die Brille des Klassenkampfes von oben verzerrten Optik der Staatsanwaltschaft erscheint selbst noch die politische NS-Verfolgung durch „Schutzhaft“ als abwertendes Stigma. Dass es sich bei der Verhängung von „Schutzhaft“ um einen rechtswidrigen Gestapo-Willkürakt handelte, hätte auch einem Juristen der Staatsanwaltschaft klar sein müssen. In einem Punkt ist allerdings der Nachkriegs-Staatsanwaltschaft Recht zu geben: Leonhard Huber ist dem verbrecherischen NS-Staat tatsächlich zur Last gefallen. Vielleicht weil er sozial nicht angepasst war, eher aber, weil er sich dem Regime auch auf andere Weise widersetzte. Die NS-Justiz jedenfalls sah in ihm einen politischen Gegner, einen „Hochverräter“. Das Zusammenspiel von Justiz, Gestapo und SS hatte ihn das Leben gekostet. Es wurde – soweit die einschlägige Akte dies erkennen lässt – keinerlei Wiedergutmachung geleistet. Möglich ist aber auch, dass das Wiedergutmachungsverfahren zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen wurde. Hierfür könnte ein Indiz sein, dass das Sonderstandesamt Arolsen am 4. Juli 1958 auf Grundlage eines Eintrags im erhalten gebliebenen Totenbuch des KZ Gusen eine Sterbeurkunde für Leonhard Huber ausstellte.

Die Markierung auf der Übersichtskarte verweist auf die in Leonhard Hubers Dachauer KZ-Schreibstubenkarte vermerkte Adresse Silberburgstraße 66 in 70176 Stuttgart.

 

Quellen

ITS Digital Archive, Arolsen Archives

1.1.6.7 Schreibstubenkarten KL Dachau Dok. Nr. 10664994
1.1.6.12 Dachau-Sammlung des Zentralkomitees der befreiten Juden in der US Zone / Namen Karteikarten / Dok. Nr. 128656257

Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 5855

Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

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1 Auf Karteikarte ITS Digital Archive, Arolsen Archives Dok. Nr. 128656257 auch: Silberburgstr. 60. Nach Angaben in der Wiedergutmachungssakte wohnte Huber in Stuttgart-Zuffenhausen, Hohenloherstraße 39. Im Stuttgarter Adressbuch von 1931 findet sich folgender Eintrag: Huber, Leonhard, Bauarbeiter, Untere Heckenstr. 9 Eg. Hedelfingen. Bei weiteren Stichproben in den Stuttgarter Adressbüchern von 1930, 1932, 1934, 1937 und 1938 fand sich kein Eintrag.

 

© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: April 2021
www.kz-mauthausen-bw.de