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Paul Reinhardt (1879 - 1943)

Dezember 1942 KZ Mauthausen
13.01.1943 Tod im KZ Mauthausen

Paul Reinhardt wurde am 13. Januar 1879 im Pfedelbacher Ortsteil Heuberg (im heutigen Hohenlohekreis) geboren. Er war katholisch getauft und wurde 1905 im "Zigeuner-Buch" von Alfred Dillmann als Sohn des "Zigeuners" und Steinschlägers Odon Michael Reinhardt erwähnt.1

Nach vier gemeinsamen Kindern heiratete Paul Reinhardt am 27. November 1926 in Pfedelbach die in Möhringen bei Stuttgart geborene Christiane, geb. Guttenberger, verwitwete Terber. Es folgten vier weitere Kinder. Die insgesamt fünf Töchter und drei Söhne wurden alle an unterschiedlichen Orten geboren. Als letzter bekannter Wohnsitz Reinhardts wurde bei seiner Inhaftierungsbescheinigung "auf Wanderschaft" angegeben.

Am 14. Juli 1937 wurden Paul Reinhardt und seine Familie von der Gendarmerie-Nebenstelle Adelmannsfelden der Gendarmerie-Abteilung Aalen an die Kripoleitstelle Stuttgart gemeldet. Vorausgegangen war eine Aufforderung derselben "jenische Sippen"2 zu melden.

Was der Familie Reinhardt in den nächsten Jahren widerfuhr, ist uns nicht bekannt. Im Dezember 1942 kam Paul Reinhardt in das Konzentrationslager Mauthausen,wurde dort als "SV" (Sicherungsverwahrter) registriert und mit der Häftlingsnummer 19292 versehen. Ob gegen ihn tatsächlich von einem Gericht die Sicherungsverwahrung nach Haftverbüßung angeordnet worden war, lässt sich nach unserer Kenntnis der Quellenlage nicht belegen.3 Dafür spricht jedoch, dass er mit einem Transport mit Sicherungsverwahrten in das KZ Mauthausen verbracht wurde. Bereits nach knapp vier Wochen starb er dort an seinem 64. Geburtstag am 13. Januar 1943. Das Totenbuch, in dem in aller Regel fiktive Todesursachen eingetragen wurden, vermerkt "Altersschwäche" als Todesursache.

Christiane Reinhardt und ein Teil der Kinder wurden ins KZ Auschwitz deportiert. Frau Reinhardt starb dort am 5. März 1943. Für die Kinder sind Todeszeitpunkt und -ort nicht bekannt, so dass der Internationale Suchdienst Arolsen für sie keine Todesbescheinigungen ausstellen konnte.

Der Bruder von Christiane, Anton Guttenberger, versuchte in den 1960er Jahren über den Internationalen Suchdienst etwas über das Schicksal seiner Schwester und deren Familie in Erfahrung zu bringen. Der Suchdienst konnte jedoch lediglich den Tod von Paul und Christiane Reinhardt bescheinigen und wies noch darauf hin, dass beim Bayrischen Landesentschädigungsamt, München, ein Wiedergutmachungsverfahren für die Tochter Pateritzka Hedwig Anna anhängig sei.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt den Geburtsort Heuberg von Paul Reinhardt.

 

1 Alfred Dillmann (1849-1924) war Rechtsanwalt und Polizeipräsident im Königreich Bayern.1899 etablierte er eine zentrale Erfassungsstelle für „Zigeuner“ in der Erkennungsdienstlichen Abteilung der Polizei in München. Das 1905 für den amtlichen Gebrauch veröffentlichte „Zigeunerbuch“ enthielt die Namen von über 3000 Personen sowie Personenbeschreibungen und Fotos von Einzelpersonen, die sich aus dem bis dahin gesammelten Datenmaterial zusammensetzten. Es sollte den Polizeibehörden helfen, „Zigeuner“ zu identifizieren.

2 Sowohl Eigen- wie auch Fremdbezeichnung von manchen, nach Abstammung und Herkunft heterogenen, Gruppen von "Landfahrern" oder "Fahrendem Volk".

3 Im September 1942 vereinbarte Reichsjustizminister Otto Georg Thierack mit dem Reichsführer SS Heinrich Himmler die schubweise Auslieferung aller Sicherungsverwahrten, die bisher der Justiz unterstanden und in den Sicherungsanstalten einsaßen, an die Polizei. In den KZ sollten sie der „Vernichtung durch Arbeit“ preisgegeben werden.


Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Paul Reinhardt
Korrespondenzakte, Paul Reinhardt, TD 957810

Memorial Mauthausen
(https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)

Udo Grausam: Biografie Paul Reinhardt, (https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)


© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Juli 2023
www.kz-mauthausen-bw.de