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Richard Müller

(geb. 1905)

Zeuge Jehovas


24.02.1938 Verhaftung
18.06.1938 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
04.06.1943 KZ-Außenlager Bretstein
11.03.1944 KZ Gusen
5./6.05.1945 in Gusen befreit


Richard Müller wurde am 5. September 1905 in Oppenau (im heutigen Ortenaukreis) geboren. Mit seiner Ehefrau Frieda, geb. Reimacher, hatte er zwei Kinder. Die Familie wohnte in Lörrach, wo er als Säger arbeitete. Er war Mitglied der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas und wie die allermeisten seiner Glaubensgenossen lehnte er eine Mitgliedschaft in nationalsozialistischen
Organisationen kategorisch ab und verweigerte auch den Hitlergruß.

Am 24. Februar 1938 wurde Richard Müller wegen seiner religiösen Aktivitäten von der Gestapo in Lörrach verhaftet und ins Bezirksgefängnis Waldshut eingeliefert. Sein Verfahren vor dem Sondergericht Mannheim wegen "Betätigung für die Ziele der Ernsten Bibelforscher in Rheinfelden, Höllstein und Lörrach" wurde jedoch "gemäß § 2 des Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit vom 30.4.1938" eingestellt. Dieses anlässlich des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich verkündete Amnestiegesetz erließ Haftstrafen von bis zu einem Monat. Verfahren, die keine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten erwarten ließen, waren nach § 2 einzustellen.

Offenbar wurde Müllers "Vergehen" selbst vom Sondergericht als höchstens mittelschwer eingestuft. Doch die gesetzlich geforderte Verfahrenseinstellung missfiel der Gestapo offensichtlich. Als Schutzhäftling blieb Müller im Waldshuter Gefängnis und wurde dann auf Weisung der Gestapo Karlsruhe am 18. Juni 1938 ins KZ Dachau verbracht (Häftlingsnummer 16557, Kategorie "Sch.Bifo"). Im Zuge der vorübergehenden Räumung des Lagers Dachau nach Kriegsbeginn wurde Richard Müller am 27. September 1939 zusammen mit rund 1600 weiteren Dachau-Häftlingen, darunter zahlreiche Glaubensgenossen, in das KZ Mauthausen überstellt. Dort erhielt er die Häftlingsnummer 1941 und wurde im Block 9 untergebracht.

1943 war er medizinischen Menschenversuchen mit Impfstoffen ausgesetzt. Am 4. Juni 1943 kam Richard Müller für drei Wochen in das Mauthausen-Außenlager Bretstein1 (bei dem Ort Bretstein in der Steiermark). Danach arbeitete er laut Eintrag auf der Rückseite seiner Häftlings-Personalkarte als Hilfsarbeiter bei dem SS-eigenen Unternehmen „Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH“ (DESt). Ab 11. März 1944 wurde er ins KZ Gusen verlegt und dort zuerst bei dem Rüstungsunternehmen  Messerschmitt und später in einem der Gusener Steinbrüche eingesetzt.

In Gusen erlebte er auch am 5./.6. Mai 1945 die Befreiung durch US-amerikanische Soldaten. Bei deren Vernehmungen bezeugte er unter anderem, dass sein Glaubensgenosse Christoph Armbruster (siehe Biografie) im Februar 1940 im Lager "zu Tode gebracht wurde". Am 24. Mai 1945 wurde Richard Müller per "Verfügungsbefehl" der "Military Government of Germany" aus dem Lager entlassen.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die letzte Wohnadresse von Richard Müller vor seiner Verhaftung, Belchenstraße 16 in 79539 Lörrach.

 

Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Richard Müller
1.1.6.2. Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Dachau, Richard Müller
Korrespondenzakte, Richard Müller, TD 38371

Generallandesarchiv Karlsruhe
507 Nr. 7702

Staatsarchiv Freiburg
D 180/2 Nr. 222552; F 196/1 Nr. 6

Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

Hubert Roser (Hg.): Freiburger Zeugen Jehovas unter der NS-Diktatur, Freiburg 2010, S. 95.


Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. 3. Auflage, Wien 1995, S. 73.

Bildnachweis:
ITS Digital Archive, Arolsen Archives:
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Richard Müller, Dokumente Nr. 1644196-1644198


© Recherche und Text:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: August 2021
www.kz-mauthausen-bw.de


Illu:
Bildunterschrift für Müller 1+2: Fragebogen der Militärregierung in Deutschland für KZ-Insassen
für Müller 3: Verfügungsbefehl der Militärregierung in Deutschland für die Entlassung

 

1 Auf dem SS-Gut Bretstein (bei Bretstein, Bezirk Murtal) war der SS-eigene Wirtschaftsbetrieb "Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH" angesiedelt, der dort Pferde- und Schafzucht sowie eine Geflügelfarm betrieb. Das Außenlager Bretstein des KZ Mauthausen existierte von Juni 1941 bis Ende Juni 1943 mit insgesamt rund 170 Häftlingen, überwiegend republikanische Spanier und deutsche Zeugen Jehovas, die beim Straßenbau und in der Landwirtschaft eingesetzt wurden.