Theodor Schönleber (1910 - 1975)
Missionarssohn und Kommunist
21.03.1933 bis 20.08.1933 KZ Heuberg
02.07.1935 Gefängnis Stuttgart, Untersuchungshaftanstalt Mannheim, Zuchthaus Ludwigsburg und Hohenasperg
23.11.1937 Emsland-Moorlager Aschendorf
28.05.1940 Gefängnis Hohenasperg, Zuchthaus Ludwigsburg
02.10.1943 Gestapogefängnis Welzheim
10.12.1943 KZ Dachau
20.06.1944 KZ Mauthausen
05.05.1945 befreit im KZ Mauthausen
Theodor Schönleber wurde am 18. Juni 1910 in Begoro in der britischen Afrikakolonie Goldküste geboren. In der Kleinstadt Begoro – heute Verwaltungszentrum des Fanteakwa-Distrikts im Südosten Ghanas – befand sich eine Missionsstation der 1815 gegründeten pietistischen „Evangelische Missionsgesellschaft Basel“, bei der Theodors Vater, Karl Eugen Schönleber, als Missionar tätig war. Im März 1909 hatte er in Aburi, einem weiteren westafrikanischen Stützpunkt der Missionsgesellschaft, Friedrike Wilhelmine Thumm geheiratet. Bald nach der Geburt Theodors zog die Familie nach Deutschland und wohnte dann im Eckhaus Krebenstraße 22 in Kirchheim unter Teck. Der Vater Karl Schönleber leitete die Kinderbewahranstalt Paulinenpflege in Kirchheim.
Theodor Schönleber machte 1929 in Mainz das Abitur und ergriff nach dem Studium der Theologie und Pädagogik in Tübingen den Lehrerberuf. Zuletzt war er Schulpraktikant in der Mädchen-Mittelschule Kirchheim unter Teck. Er musizierte leidenschaftlich gerne und spielte Violine und Klavier. Eine weitere Liebhaberei war ihm die Gartenarbeit.
1932 bis Frühjahr 1933 gehörte er der Turngemeinde Kirchheim an, der die Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit angeschlossen war; er leitete auch den Singchor der Turngemeinde. In Kirchheim selbst machte er sich einen Namen als "kommunistischer Straßenprediger" (wohl auch in ironischer Anspielung auf den Missionarsberuf seines Vaters). Er war im März 1932 der Kommunistischen Partei (KPD) beigetreten und wurde deshalb im April 1933 auf der Grundlage des sogenannten Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 aus dem Schuldienst entlassen.
Seinen Beruf konnte er aber bereits zu diesem Zeitpunkt wegen seiner Inhaftierung nicht mehr ausüben. Als Kommunist und aktiver Nazigegner war er am 20. März 1933 festgenommen worden und musste die Nacht im Amtsgerichtsgefängnis Kirchheim unter Teck verbringen. Am folgenden Tag wurde er mit den ersten Häftlingen in das neu errichtete KZ-Lager Heuberg bei Stetten am kalten Markt verbracht. Nach fünf Monaten wurde er wieder entlassen. Anschließend wurde er zum Reichsarbeitsdienst in Plochingen verpflichtet. In der Zeit danach verdiente er sein Geld als Messgehilfe beim Bau der Reichsautobahn in der Nähe von Kirchheim und anderen Gelegenheitsarbeiten. Seinen Wohnsitz hatte er in der Kirchheimer Paulinenpflege in der Alleenstraße 18.
Politisch blieb er weiter aktiv. In Kirchheim und Umgebung wirkte er in Verbindung mit der Bezirksleitung in Stuttgart unter Stefan Lovasz (1901-1938) als einer der Hauptorganisatoren der KPD nach ihrem Verbot 1933. Auch am Aufbau des Unterbezirks Esslingen war er beteiligt.
Konkret nachgewiesen konnten ihm später Kontakte zu Jungkommunisten, die sich klandestin in freier Natur oder in ihrem "Schiheim" in Donnstetten trafen. Vielfach nahm er an Funktionärsbesprechungen zwecks Aufbau und Neustrukturierung seiner illegalen Partei teil. In der praktischen Arbeit ging es vor allem um die Verteilung von politischen Schriften und das Sammeln von Mitgliedsbeiträgen. Das Schriftgut trug häufig Tarntitel wie "Kanarienvogelzucht" oder "Wenn ein Torero verliebt ist". Zur Verfassung eigener Flugblätter versuchte man sich eine geräuscharme Schreibmaschine und für Kurierzwecke ein Motorrad zu beschaffen. Schönleber hielt seine Genossen zur Bildung von klandestinen "Dreiergruppen" und zu unauffälligem Verhalten an, insbesondere zum Vermeiden größerer oder öffentlicher Zusammenkünfte, die leicht Verdacht erregen konnten. Zugleich drängte er auf vermehrte Werbung auf der Schwäbischen Alb, beim Arbeitsdienst und in den Betrieben, wo dann auch entsprechende kommunistische Zellen gebildet werden sollten.
Am 2. Juli 1935 wurde Theodor Schönleber erneut verhaftet. In dem am selben Tag vom Württembergischen Innenministerium ausgestellten Schutzhaftbefehl heißt es, Schönleber werde „verdächtigt, sich erneut illegal für die KPD betätigt zu haben, obwohl er längere Zeit schon in Schutzhaft war und sich bei seiner Entlassung verpflichtet hat, sich jeder staatsfeindlichen Tätigkeit zu enthalten. Seine Tätigkeit bedeutet eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“.
Am 2. Februar 1937 verurteilte ihn das Oberlandesgerichts Stuttgart wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu sieben Jahren und sechs Monaten Zuchthaus und zu fünf Jahren Ehrverlust. Insgesamt 17 der illegalen KPD zuzurechnende Personen aus der Region, darunter Werner Groß, Josef Luger, Willi Zimmermann und Otto Wisst wurden bei dem Verfahren wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt. Die meisten kannten sich schon seit Kindheit oder Jugend oder spätestens seit ihrer Haft auf dem Heuberg. Fast alle erhielten langjährige Zuchthausstrafen, wobei Schönleber das höchste Strafmaß unter den Angeklagten zuteil wurde. Zudem wurde Schönleber wegen seines "beharrlichen, unverfrorenen Leugnens" vor Gericht die Untersuchungshaft ungefähr nur zur Hälfte angerechnet. In der Urteilsbegründung hieß es: "Die Tätigkeit Schönlebers war besonders umfangreich und gefährlich. Er war das geistige Haupt, hatte unmittelbare Verbindung mit der KPD, hat rührig und mit Umsicht auf die Ausweitung von deren Organisation hingearbeitet und die illegale Arbeit der anderen Angeklagten erst richtig in Fluss gebracht". Die Strafe verbüßte er im Zuchthaus Ludwigsburg. Am 23. November 1937 wurde er auf Weisung des Staatsanwalts in Stuttgart in das der NS-Reichsjustizverwaltung in Niedersachsen unterstellte Justiz-Strafgefangenenlager II Aschendorf an der Ems verlegt. 1940 jedoch wurde er in die "Stammanstalt" Ludwigsburg zurückversetzt, da er gemäß einer Verfügung des Reichsinnenministers als Hochverräter "wegen seiner Straftat für den Lagervollzug nicht geeignet" galt.
In der Abschlussbeurteilung Schönlebers der Haftanstalt Ludwigsburg hieß es: "Er stammt aus wohlgeordneten Verhältnissen, macht aber infolge seines eigenwilligen Wesens in der Erziehung große Schwierigkeiten und hat sich mehr und mehr ins kommunistische Fahrwasser begeben. Bei seiner verschlossenen Art lässt sich sehr schwer beurteilen, wie er heute politisch eingestellt ist. Jedenfalls wird die Strafe ihm eine Warnung sein, sich je wieder politisch zu betätigen, so dass von Vorbeugungs bezw. Schutzhaft Abstand genommen werden kann, wenn auch weitere Überwachung geboten erscheint."
Das Plädoyer des Justizvollzugs gegen die Verhängung von Schutzhaft beindruckte die Gestapo wenig. Auf seine Justizstrafe folgte am 2. Oktober 1943 vom Zuchthaus Ludwigsburg weg seine Verschleppung ins Gestapogefängnis Welzheim. Von dort überstellte ihn die Gestapo am 10./11. Dezember 1943 via Augsburg in das Konzentrationslager Dachau. In Dachau trug er die Häftlingsnummer 60.068. In einer Nachkriegsaufstellung von Häftlingen des KZ Sachsenhausen taucht auch der Name Schönleber auf. Zeitweilig könnte er also auch dort gewesen sein; einer weiteren Angabe zufolge möglicherweise auch im KZ Auschwitz.
Von Dachau kam er in das KZ Mauthausen, und zwar am 20. Juni 1944 mit einem Sammeltransport von neun deutschen Schutzhäftlingen, die in das Steinbruchlager Mauthausen strafversetzt wurden. Er erhielt die Häftlingsnummer 75.525, Kategorie „DR Sch.“ (Deutsches Reich Schutzhaft) und wurde als „Hilfsarbeiter“ eingesetzt. Nach eigener Aussage musste er in einem „Steinträger-Strafkommando“ arbeiten.
Nach der Befreiung der Insassen des KZ Mauthausen erhielt Schönleber am 31. Mai 1945 einen vom „Deutsches Komitee des ehemaligen KL Mauthausen“ und dem Kommandanten des Camps ausgestellten vorläufigen Ausweis, der ihm die NS-Verfolgung und die Haftzeit in Mauthausen bestätigte. Mit diesem Papier kehrte Schönleber am 7. Juni 1945 zurück in seinen Heimatort Kirchheim unter Teck. Sofort engagierte er sich hier beim politischen Wiederaufbau und konnte auch wieder als Schullehrer arbeiten. 1946 heiratete er; Kinder gingen aus der Ehe keine hervor.
Zum 5. Juni 1946 wurde Schönleber zum öffentlichen Kläger bei der Kirchheimer Spruchkammer berufen. Mit seinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und seiner antifaschistischen Haltung erschien er hierfür als der richtige Mann. Doch verkannte er in seiner Hoffnung auf einen Neubeginn die sich reorganisierenden alten Kräfte. Insbesondere war er als Nichtjurist den Finten gegnerischer Rechtsanwälte, die ihre nazistischen Mandanten reinzuwaschen suchten, nicht immer gewachsen. Ihm als NS-Verfolgtem, der zehn Jahre Haft überstanden hatte, wurde mangelnde professionelle Distanz bei der „Entnazifizierung“ vorgehalten, und mit dem beginnenden Kalten Krieg wurde er als Kommunist ins politische Abseits gedrängt. Verletzt ob der ihm entgegengebrachten Beschuldigungen, die auch ins Persönliche zielten, legte er im Oktober 1947 sein Amt bei der Spruchkammer nieder. Er musste erfahren, dass NS-Gegnerschaft und erlittene langjährige Verfolgung als disqualifizierend für das aktive Engagement bei der „Entnazifizierung“ angesehen wurden, während „professionelle“ NS-Juristen bald wieder in Amt und Robe standen.
Nach der Beendigung seiner Entnazifizierungstätigkeit arbeitete Schönleber wieder im Schuldienst. Einen Antrag auf Wiedergutmachung wegen der NS-Verfolgung stellte er im August 1948. Auch wenn ein innerfachärztliches und ein nervenärztliches Gutachten 1966 keine verfolgungsbedingten Körper- und Gesundheitsschädigungen nachweisen konnten, erhielt er dennoch für Schaden an Körper und Gesundheit 1.200.- DM zugestanden. Für die 123 Monate Haft wurden 18.450,- DM bezahlt und für den „Schaden im beruflichen Fortkommen“ 5.250,43 DM.
Im November 1975 starb Theodor Schönleber. Das Schönleber-Familiengrab in Kirchheim unter Teck wurde inzwischen aufgelöst.
Die Markierung auf der Karte zeigt Theodor Schönlebers Wohnsitz in der Paulinenpflege in Kirchheim unter Teck.
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.6.1 Listenmaterial Dachau / Zugangsbücher des Konzentrationslagers Dachau
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen
1.1.38.1 Listenmaterial Sachsenhausen / 4137256
Bundesarchiv
R 3017/31072
Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 5652
E 356 d V Bü 1480
EL 902/18 Bü 7357 (Spruchkammer)
VVN-Archiv Stuttgart
Steffen Seischab: Land um Teck und Neuffen – zwischen Nazis und Kommunisten. Eine andere Heimatkunde. Nürtingen/Frickenhausen 2017, S. 119-122 (dort auch weitere Quellenangaben).
© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: November 2024
www.kz-mauthausen-bw.de