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Wilhelm Schroff (1883 - 1959)

Badischer "Gewitter“-Häftling

22.08.1944 Verhaftung
23.08.1944 KZ Natzweiler
06.09.1944 KZ Dachau
16.09.1944 KZ Mauthausen
20.09.1944 KZ Außenlager Wiener Neudorf
06.10.1944 von Wiener Neudorf zurück ins Stammlager
27.10.1944 Entlassung im KZ Mauthausen

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schroff
Wilhelm Schroff, Bild im Reisepass vom September 1934, Stolpersteine Konstanz, Privatarchiv S. Wojtek

Wilhelm Schoff wurde am 11. März 1883 in Allmannsdorf, heute ein Stadtteil von Konstanz, geboren. Nach dem Abschluss der Volksschule arbeitete er bei der Reichsbahn als Bahnarbeiter und Wagenreiniger. 1912 heiratete er Elise Sutter. Das Paar wohnte in der Amalienstraße 4 in Allmannsdorf und hatte vier Kinder. Er nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und wurde mit Orden dekoriert. Nach dem Krieg trat er in die SPD ein und saß von 1922 bis 1930 im Konstanzer Bürgerausschuss. Als Sozialdemokrat schloss er sich dem 1924 gegründeten „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ an, welcher nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 verboten wurde. Bis 1944 blieb Schroff von den Nazis unbehelligt.

Am frühen Morgen des 22. August 1944 wurde er im Zuge der nach dem Umsturzversuch des 20. Juli 1944 erfolgten reichsweiten Verhaftungsaktion „Gewitter“ (auch Aktion Gitter und Aktion Himmler genannt) in seiner Wohnung verhaftet. Die reichsweite Aktion betraf ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Sozialdemokraten, Kommunisten und des Zentrums sowie weiterer Parteien der Weimarer Republik. Am folgenden Tag wurde er von der Gestapo – Stapoleitstelle Karlsruhe - vom Landgerichtsgefängnis Konstanz in das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsass verbracht (Häftlingsnummer 23334 „Pol R.D.“). Da das KZ-Hauptlager Natzweiler im September 1944 aufgegeben wurde, kam Schroff am 6. September mit einem großen Sammeltransport, in dem sich weitere badische "Gitter/Gewitter"-Häftlinge befanden, in das Konzentrationslager Dachau in Bayern (Häftlingsnummer 102120 „Sch“).

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Schroff Gef
Wilhelm Schroff (lfd. Nr. 412) wurde zusammen mit weiteren „Gitter/Gewitter“-Verhafteten am 22.8.1944 um 7.30 Uhr im Landgerichtsgefängnis Konstanz eingeliefert („Schutzhaft Gestapo“) und am folgenden Morgen um 5.00 Uhr von der Gestapo abgeholt. Auszug aus dem Gefangenenbuch des Landgerichtsgefängnisses Konstanz, ITS Digital Archive, Arolsen Archives Dok. 12058118

Von dort kam er eine Woche später auf einen weiteren Sammeltransport, welcher nach Mauthausen führte und dort am 16. September im Konzentrationslager eintraf. Hier trug er die Nummer 99200 „Polit“. Bereits vier Tage darauf kam der Eisenbahner als „Glaser“ zum Arbeitseinsatz in das KZ-Nebenlager Wiener Neudorf/Guntramsdorf. Zu dieser Zeit hatte jenes Lager, das hauptsächlich der Produktion von Flugmotoren diente, seinen Höchststand mit 3.170 Gefangenen erreicht. Am 6. Oktober 1944 kam Schroff wieder zurück in das Stammlager Mauthausen, wo er am 27. Oktober in die Heimat entlassen wurde.

Nach 67 Tagen Haft kehrte Schoff in sein Haus in der Konstanzer Allmannstraße 4 zurück. Nach dem Tod seiner Ehefrau Elise im Jahr 1946 verheiratete Wilhelm Schoff sich 1948 erneut.

Im Rahmen der „Entnazifizierung“ wurde er vom „Badischen Staatskommissriat für politische Säuberung“ einem Prüfungsverfahren unterzogen. Im Mai 1950 wurde er als „nicht betroffen“ („n‘est pas atteint“) eingestuft.

Im selben Jahr, 1950, beantragte Schroff bei der Freiburger Außenstelle des Landesamts für die Wiedergutmachung Entschädigung für die Haft, den erlittenen Lohnausfall, den Verlust von Gegenständen und für gesundheitliche Beeinträchtigungen. Wegen der hinhaltenden Bearbeitung seines Falls protestierte er im November 1954 bei der Wiedergutmachungsbehörde: „Es ist geradezu ein Schandfleck in unserem heutigen sogenannten Rechtsstaat, wenn man feststellen muss, dass [...] tausende ehemalige aktive Nazibeamte schon längst wieder befördert wurden. Man könnte der Meinung sein, dass die Nazis die Schlacht gewonnen haben“.

Am 26. Juni 1957 erging schließlich der ausstehende Wiedergutmachungsbescheid. Am 22. März 1959 starb Wilhelm Schroff im Alter von 76 Jahren in Konstanz. Im Juni 1963 sandte der Internationale Suchdienst (ITS) in Arolsen eine Haftbescheinigung für Wilhelm Schroff an den Oberstaatsanwalt in Köln. Um welche Ermittlungen es dabei ging, ist nicht ersichtlich.

2015 wurde für Wilhelm Schroff ein Stolperstein vor dem Haus Amalienstraße 4 verlegt.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Amalienstraße 4 in Konstanz.


Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.2.2.1 Listenmaterial Gruppe P.P.
1.1.29.2 Individuelle Unterlagen Natzweiler, Wilhelm Schroff
1.1.6.7 Schreibstubenkarte Dachau, Wilhelm Schroff
1.1.6.12 Dachau-Sammlung des Zentralkomitees der befreiten Juden in der US Zone / Transportlisten nach den Konzentrationslagern, Dok. 128452120
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen, Wilhelm Schroff
Korrespondenzakte TD 767219

Generallandesarchiv Karlsruhe
GLA Eintrag in 233 Nr. 52301, 60185 (Ordensverleihungen)

Staatsarchiv Freiburg
D 180/2 Nr. 29401
F 196/1 Nr. 2157

Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

Uwe Brügmann: Wilhelm Schroff 1883-1959 (stolpersteine-konstanz.de/schroff_wilhelm.html)

Hans-Hermann Seiffert: Vom „Gewitter“ erfasst. Die späte Verhaftung des Allmansdorfer Bürgers Wilhelm Schroff durch die Gestapo im Sommer 1944, in: s'Blättle 54, Mitteilungsblatt der Bürgervereinigung Allmannsdorf (BAS), 2016.

 

© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Juni 2022
www.kz-mauthausen-bw.de