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Erich Stockburger

(geb. 1905)

Badischer „Gewitter“-Häftling

23.08.1944 KZ Natzweiler
06.09.1944 KZ Dachau
16.09.1944 KZ Mauthausen/Gusen
04.11.1944 Entlassung aus dem KZ Mauthausen

Image
Stockburger
Erich Stockburger. Seinem Wiedergutmachungsantrag vom 25.3.1946 beigeheftetes Foto, StAF F 196/1 Nr. 916

Erich Gottlieb Stockburger wurde am 20. Februar 1905 in St. Georgen im Schwarzwald geboren. Er besuchte acht Jahre die Volks- und drei Jahre die Gewerbeschule und war von Beruf Maschinenschlosser und Feinmechaniker. Es findet sich auch die Berufsangabe Reisender. Er war verheiratet mit Elsa Epting, hatte ein 1933 geborenes Kind und wohnte an seinem Geburtsort.

1933 war er als Provisionsreisender der jüdischen Textilfirma Zaitschek in Villingen tätig. Später arbeitete er bei dem Uhrenhersteller Gebrüder Staiger in St. Georgen im Schwarzwald.

Auch wenn in den vorliegenden Quellen eine SPD-Mitgliedschaft nicht explizit angeführt wird, ist davon auszugehen, dass er der Sozialdemokratie zumindest nahestand. Denn am 11. Dezember 1933 verurteilte ihn das Sondergericht Mannheim wegen Vergehens gegen § 4 der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 („Reichtagsbrandverordnung“ des Reichspräsidenten) zu acht Monaten Gefängnis abzüglich drei Wochen Untersuchungshaft. Mit ihm wurden zwei weitere Angeklagte verurteilt, darunter der Sozialdemokrat Georg Glenz aus St. Georgen. Das Sondergericht sah es als erwiesen an, dass Stockburger und die beiden anderen Angeklagten sich dem damals bestehenden Verbot jeglicher Betätigung für die Ziele der KPD und SPD durch Aushändigung und Weitergabe der vom Exilvorstand der SPD in Karlsbad herausgegebenen Zeitung „Neuer Vorwärts“ widersetzt hätten. Seine Strafe verbüßte Stockburger in den Gefängnissen Mannheim und Freiburg im Breisgau.

Am 22. August 1944 wurde er im Rahmen der nach dem Umsturzversuch des 20. Juli 1944 erfolgten reichsweiten Verhaftungsaktion „Aktion Gewitter“ (auch Aktion Gitter und Aktion Himmler genannt) in Villingen festgenommen. Die Gestapoaktion „Gewitter“ betraf ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Sozialdemokraten, Kommunisten und der Zentrumspartei sowie weiterer Parteien der Weimarer Republik. Am folgenden Tag wurde Stockburger von der Gestapo – Stapoleitstelle Karlsruhe – in das Konzentrationslager Natzweiler im Elsass eingewiesen (Häftlingsnummer 23188). Ihm wurde seine Habe – einschließlich des Eherings – abgenommen. Als das Hauptlager Natzweiler wenig später angesichts der näherrückenden Front aufgelöst wurde, kam er per Sammeltransport am 6. September 1944 in das KZ Dachau (Häftlingsnummer 101860 „Sch.“ - Schutzhaft). Bereits am 14./16. September 1944 erfolgte jedoch, ebenfalls per Sammeltransport, die Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen (Häftlingsnummer 99196 „Polit“). Er kam zum Arbeitseinsatz in das KZ Gusen II in St. Georgen an der Gusen (nicht zu verwechseln mit Stockburgers Heimatstadt im Schwarzwald!), wo unter der Tarnbezeichnung B8 Bergkristall die Untertageproduktion des Jagdflugzeugs Me 262 mit brutalsten Mitteln vorangetrieben wurde. Stockburger wurde im Arbeitskommando Stein und Erde und als Holzsäger im Flugzeugbau eingesetzt. Am 4. November 1944 wurde er unter polizeilichen Meldeauflagen aus dem KZ Mauthausen entlassen.

Nach dem Krieg war Erich Stockburger beim städtischen Wasserwerk in seiner Heimatgemeinde St. Georgen als Wassermeister beschäftigt, wo er auch unter der Adresse Peterzell, Reichsstraße, später Bundesstraße 80, seine Wohnung hatte.

Am 25. März 1946 stellte er bei der Zweigstelle Villingen der Badischen Landesstelle für die Opfer des Nationalsozialismus einen Antrag auf Wiedergutmachung. Im Sinne des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege wurde das Urteil des Sondergerichts vom 11. Dezember 1933 gegen Stockburger vom Landgericht Mannheim im Januar 1947 aufgehoben. Für die Entschädigung der erlittenen NS-Verfolgung war das Landesamt für die Wiedergutmachung Freiburg in der Maria-Theresia-Straße 10 zuständig.

Die Markierung auf der Übersichtskarte verweist auf Erich Stockburgers Geburts- und Wohnort St. Georgen im Schwarzwald allgemein, da seine genaue Wohnadresse vor seiner Verhaftung nicht bekannt ist.


Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.29.2 Individuelle Unterlagen Natzweiler – Stockburger
T/D 350811

Generallandesarchiv Karlsruhe
507 Nr. 11836-11838

Staatsarchiv Freiburg
F 196/1 Nr. 916 (Wiedergutmachung)
D 180/2 Nr. 58269 (Spruchkammer Südbaden)

Ursula Krause-Schmitt: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Baden-Württemberg II. Frankfurt-Bockenheim 1997, S. 139.


© Recherche und Text:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Oktober 2023
www.kz-mauthausen-bw.de