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Georg Gilch (1903 - 1980)

Badischer „Gewitter“-Häftling

23.09.1944 KZ Natzweiler
16.09.1944 KZ Dachau
22.09.1944 KZ Mauthausen
29.09.1944 KZ Gusen
28.10.1944 Entlassung aus KZ Mauthausen

Georg Gilch wurde am 2. Oktober 1903 im oberbayrischen Bruckmühl im heutigen Landkreis Rosenheim geboren. 1922 kam er als junger Mann in die südbadische Stadt Rheinfelden, um bei der dortigen Niederlassung der Degussa AG in der Produktion und im Labor zu arbeiten. Politisch betätigte er sich in der Kommunistischen Partei (KPD) bis zu deren Verbot 1933 und war zeitweilig auch im Stadtrat tätig. 1937 kam er in die Versuchsabteilung am Stammsitz der Degussa in Frankfurt am Main. Am 2. September 1939 wurde er beim deutschen Überfall auf Polen mit seinem Motorrad mit Seitenwagen zu einem Flak-Regiment eingezogen. 1940 kam er zurück zur Degussa, schloss seine Ausbildung zum Chemotechniker ab und war in Frankfurt bis zur Zerstörung des dortigen Werks im Labor der Hauptverwaltung 1944 tätig. Anfang August 1944 kam er zurück zur Degussa-Niederlassung in Rheinfelden.

Georg Gilch war verheiratet mit Frieda Zanin und hatte ein Kind. Die Familie wohnte, nachdem sie in Frankfurt ausgebombt worden war, in Rheinfelden in der Wilhelm-Busch-Straße 1.

Am 22. August 1944 wurde Georg Gilch im Rahmen der nach dem Umsturzversuch des 20. Juli 1944 erfolgten reichsweiten Verhaftungsaktion „Aktion Gewitter“ (auch Aktion Gitter und Aktion Himmler genannt) festgenommen und in das Gerichtsgefängnis in Lörrach verbracht. Die Gestapoaktion „Gewitter“ betraf ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Sozialdemokraten, Kommunisten und der Zentrumspartei sowie weiterer Parteien der Weimarer Republik. Am Morgen nach seiner Verhaftung wurde Gilch von der Stapoleitstelle Karlsruhe in das Konzentrationslager Natzweiler im Elsass eingewiesen (Häftlingsnummer 23356). Als das dortige Hauptlager wenig später wegen der heranrückenden Front aufgelöst wurde, kam er per Sammeltransport vom 4./6. September 1944 in das KZ Dachau (Häftlingsnummer 101613). Hier musste er im KZ-Außenlagerkomplex München-Allach arbeiten. Bereits am 14./16. September 1944 erfolgte jedoch, ebenfalls per Sammeltransport, die Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen (Häftlingsnummer 98127 „Polit“). Zum Arbeitseinsatz kam er zum KZ Außenlager Melk, das der Rüstungsproduktion der Steyr Daimler Puch AG diente. Am 7. Oktober kehrte er in das Hauptlager zurück.

Am 28. Oktober 1944 wurde er aus dem KZ Mauthausen entlassen. Nach einem Bericht von Georg Gilchs Sohn Helmut soll unmittelbar vor der Entlassung Georg Gilchs der Mauthausen-Mithäftling Fridolin Maurer die Ehefrau brieflich gebeten haben, ihrem Mann, der nicht mehr über seine Zivilkleidung verfügte, wegen der bevorstehenden KZ-Entlassung auf dem schnellsten Weg einen Anzug, Wäsche und Schuhe an die Effektenverwaltung des KZ Mauthausen zu schicken. Frau Gilch machte sich umgehend auf den Weg nach Mauthausen, doch durfte sie das Lager nicht betreten. Der Koffer mit den Kleidern wurde deshalb in dem Gasthof, in dem die Frau untergekommen war, abgeholt. Am folgenden Tag wurde Georg Gilch von einem SS-Mann zur Bahnstation begleitet und erhielt sein Entlassungspapier sowie seine Fahrkarte in die Heimat, wo er sich zweimal wöchentlich bei der Polizei zu melden hatte.

Danach war er zeitweilig auch wieder bei der Degussa in Frankfurt tätig, bis er am 1. März 1945 als Soldat zur Kraftfahr-Ersatzabteilung 5 in Lörrach eingezogen wurde. Im Mai 1945 geriet er in französische Kriegsgefangenschaft, aus der er im April 1947 in Tuttlingen entlassen wurde. Danach kehrte er zu seiner Familie in Rheinfelden zurück und nahm Kontakt zu früheren Mithäftlingen, deren Adressen er von Mauthausen hatte, auf. Er erfuhr, dass einige das Konzentrationslager nicht überlebt hatten.

Mit der Entschädigung für die erlittene KZ-Haft befasste sich das Finanzamt Lörrach, Dienststelle für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung. Diese Stelle beantragte und erhielt 1951 eine Inhaftierungsbescheinigung vom Internationalen Suchdienst (ITS) in Arolsen. Noch Anfang der 1960er Jahre war ein Zivilverfahren gegen das Land Baden-Württemberg – Landesamt für Wiedergutmachung Freiburg – wegen des Verlusts von persönlicher Habe und Bargeld anhängig. Am 18. Juni 1963 übermittelte der ITS dem Oberstaatsanwalt zu Köln einen Dokumentenauszug über Gilchs KZ-Haft.

Georg Gilch verstarb am 4. Mai 1980.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die Wohnadresse der Familie Gilch: Wilhelm-Busch-Straße 1 in Rheinfelden im Landkreis Lörrach. Abweichend findet sich als Angabe des letzten Wohnsitzes vor der Verhaftung auch Minseln (Rheinfelden), Hauptstraße 3.

 

Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
DocID: 1458503 (GEORG GILCH)
T/D 270379

Staatsarchiv Freiburg
D 180/2 Nr. 221800
F 166/3 Nr. 7779
F 196/1 Nr. 3750

Helmut Gilch: Georg Gilch, meine Verhaftung in Rheinfelden/Bd. am 22.8.1944. Von seinem Sohn Helmut Gilch entsprechend den Berichten seines Vaters in der Ich-Form nachempfunden, in: Wolfgang Bocks (Red.): Leben unterm Hakenkreuz. Rheinfelden (Baden) 1930-1945. Rheinfelden/Baden 2010, S. 146-148.


© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: März 2023
www.kz-mauthausen-bw.de