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Heinrich Jakob Roth (1900 - 1941)

"... wegen Verg. nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 20.12.1934"

01.06.1937 Inhaftierung
17.11.1937 Bewahrungslager Kislau
05.02.1938 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
28.11.1941 gestorben im KZ Gusen

Heinrich Jakob Roth wurde am 20. Dezember 1900 als sechstes Kind des Maschinisten Jakob Roth und seiner Ehefrau Lina in Lörrach geboren. Insgesamt hatte er acht Geschwister. Er besuchte in Lörrach die Volksschule, dann die Bürger- und Realschule. Da seine Eltern das Schulgeld nicht mehr aufbringen konnten, musste er jedoch bis Ostern 1915 zurück in die Volksschule. Danach begann er eine Lehre als Schriftsetzer beim Oberbadischen Volksblatt in Lörrach, wurde jedoch während des Ersten Weltkriegs im Juni 1918 zum Militär eingezogen. Bei der Demobilisierung im November 1918 formell aus dem Heer entlassen, trat er als Freiwilliger zum "Grenzschutz Ost" über und war dann bis Anfang Januar beim Badischen Freikorps in Westpreußen und anschließend bei einem weiteren Freikorps, vermutlich "Badisches Sturm-Bataillon Oberost", wo er bis Juli 1919 Dienst tat.

Nach seiner Heimkehr absolvierte er die noch fehlende Lehrzeit und legte im November 1919 die Gesellenprüfung ab. Anschließend arbeitete er als Gehilfe beim Oberbadischen Volksblatt, bis sein Arbeitsplatz Rationalisierungsmaßnahmen zum Opfer fiel und er im Oktober 1921 entlassen wurde. Einige Wochen war er als Fabrikarbeiter tätig, danach bei wechselnden Baufirmen als Eisenflechter und zuletzt als Montagearbeiter bei der Firma Eisenbau Wyhlen AG.

Drei Wochen nach dem Tod seiner Mutter ehelichte er im Dezember 1930 die 1902 in Weil am Rhein geborene Marie Wohlschlegel. Kinder gingen aus der Ehe keine hervor. Das Paar wohnte in Lörrach, Hauptstraße 31.

Mit dem Gesetz kam der von seiner Zeit beim Militär und den Freikorps geprägte, an den Armen tätowierte Bauarbeiter des öfteren in Konflikt. Es handelte sich dabei um unterschiedliche, hauptsächlich kleinere bis mittelschwere Delikte wie Vergehen gegen das "Gesetz über die Entwaffnung der Bevölkerung" vom 7. August 1920, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, fahrlässige Brandstiftung, Diebstahl, Betrug, grober Unfug, Ruhestörung und Schmuggel. Erheblicher war ein Fall von erschwerter Körperverletzung, der mit sechs Monaten, und ein Fall von "Unzucht mit Kindern", der mit drei Monaten Gefängnis geahndet wurde. Ein politischer Hintergrund ist bei einzelnen Straftaten zwar nicht auszuschließen, aber in Anbetracht des Gesamtbildes wenig wahrscheinlich.

Gleichwohl wurde für sein weiteres tragisches Schicksal eine politische Meinungsäußerung bestimmend (deren genauer Inhalt und Adressat hier in Dunkeln bleiben muss, da von uns noch nicht alle verfügbaren Quellen eingesehen wurden, R.M.). Am 10. September 1937 verurteilte ihn das Sondergericht Mannheim wegen eines Vergehens gegen den Paragraphen 2 Absatz 2 des Gesetzes "gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen" vom 20. Dezember 1934. Die einschlägige Passage des "Heimtückegesetzes" lautete: "(1) Wer öffentlich gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der NSDAP., über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen macht, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Den öffentlichen Äußerungen stehen nichtöffentliche böswillige Äußerungen gleich, wenn der Täter damit rechnet oder damit rechnen muß, daß die Äußerung in die Öffentlichkeit dringen werde."

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Schutzhaftbefehl vom 5.11.1937, GLA 521 Nr. 8568

Das Sondergericht verhängte eine Gefängnisstrafe von vier Monaten, doch der Gestapo genügte das begrenzte Strafmaß nicht. Sie beschloss, Roth endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Am 5. November 1937 erging der Schutzhaftbefehl. Die Schutzhaftdienststelle der Stapoleitstelle Karlsruhe teilte dem Gerichtsgefängnis Lörrach, wo Roth einsaß, mit, dass dieser "vom Zeitpunkt der Strafverbüßung, d.i. vom 10.11.1937 ab in Schutzhaft" genommen werde. Dem Schreiben lag der Roth auszuhändigende rote Schutzhaftbefehl bei. Nach Strafverbüßung war Roth sofort nach dem Bewahrungslager Kislau zu verschuben. Gezeichnet war das Schreiben von Rudolf Elchlepp, seit September 1937 stellvertretender Leiter der Stapoleitstelle Karlsruhe.

Am 17. November traf der Gefangene im "Bewahrungslager" Kislau (Landkreis Karlsruhe) ein. Dort verfasste er seinen Lebenslauf, worin er sich unter anderem zu seiner "Tat" äußerte: "Die mir zur Last gelegte Straftat habe ich sofort eingestanden; ich habe beim Verhör sowie auch bei der Verhandlung eingesehen und auch für Recht befunden, dass ich dafür bestraft werden müsse, was ja auch aus den Akten ersichtlich ist. Bei der Begehung der Tat war ich angetrunken, politisch habe ich mich noch nie betätigt; ich habe auch nie einer Partei noch Organisation oder irgend einem Verein angehört." Diese Einlassung, mit der Roth offensichtlich auf polizeiliche Milde spekulierte, steht in eklatantem Gegensatz zu seiner Charakterisierung auf dem Gestapo-Schutzhaftbefehl, wonach Roth "immer noch als fanatischer Kommunist" zu betrachten sei. Roth bestritt, je Parteikommunist gewesen zu sein, und in seiner Selbstdarstellung ist von einem angeblichem "Fanatismus" nichts zu spüren.

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Aus Heinrich Roths handgeschriebenem Lebenslauf,
GLA 521 Nr. 8568

Die Hoffnung, die Freiheit wieder zu erlangen, hatte er noch nicht aufgegeben, wie er in seinem Lebenslauf weiter schrieb: "Nach meiner Entlassung werde ich zu meiner Frau zurückkehren und gedenke wieder bei der Firma Eisenbau Wyhlen einzutreten, wo ich vorher beschäftigt war. Mit meiner Frau lebe ich im besten Einvernehmen, bloß befürchte ich, dass sie bei längerem Fernbleiben auf Abwege geraten könnte, weil eben keine Kinder vorhanden sind. Meine Frau arbeitet schon seit Jahren als Zigarrenmacherin [...]. Auch mir hat man zugesagt, dass ich nach meiner Entlassung jederzeit wieder bei meiner früheren Firma eintreten könne und [daher] stehen also meiner Entlassung keine Bedenken in dieser Hinsicht im Wege. Zuletzt wohnte ich in Lörrach Hauptstraße 31 und werde nach meiner Entlassung auch wieder dahin zurückkehren.“

Staatspolizeilich war seine Sache freilich längst entschieden. Die Stapoleitstelle Karlsruhe teilte dem Bewahrungslager Kislau mit, dass Roth "mit dem nächsten Sammeltransport" in das Konzentrationslager Dachau zu überstellen sei. Dieser Transport ging planmäßig am 20. Januar 1938 zum Polizeipräsidium München, das angewiesen war, "für die ordnungsgemäße Überführung und Einlieferung des R. in das dortige Lager Sorge zu tragen".

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Weihnachtsglückwünsche für Heinrich Roth und ein Geldeinlieferungsschein in das KZ Dachau mit Roths Restguthaben von 11,33 Reichsmark, zusammengeheftet am Schluss seiner Kislau-Personenakte, GLA 521 Nr. 8568

Zusammen mit einem Zeugen Jehovas, einem jüdischen Gefangenen und dem Kommunisten Fritz Wolcke (s. Biographie) wurde Heinrich Roth am 5. Februar 1938 in das Lager Dachau eingeliefert. Er war nun Schutzhäftling Nummer 13457. Wegen der zeitweiligen Umnutzung des Lagers für Ausbildungszwecke der SS wurde Roth am 27. September 1939 zusammen mit 1600 Häftlingen in das Konzentrationslager Mauthausen verlegt (Häftlingsnummer 2242). Zum Arbeitseinsatz kam er in das Mauthausen-Parallellager Gusen (Häftlingsnummer 21552). Dort starb er am 28. November 1941 im Alter von 41 Jahren.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Heinrich Roths Wohnadresse Hauptstraße 31 in 79540 Lörrach.


Quellen

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlings Unterlagen - KL Mauthausen - Heinrich Roth

Generallandesarchiv Karlsruhe
507 Nr. 1537-1538 (Sondergericht Mannheim)
521 Nr. 8568 (Kislau)

Robert Thoms: Handbuch zur Geschichte der deutschen Freikorps. O.O. 2001, S. 67.


© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: August 2021
www.kz-mauthausen-bw.de