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Josef Kern (1885 - 1961)

KPD-Gemeinderat in Bietigheim

09.03.1933 – 20.12.1933 KZ Heuberg
20.12.1933 – 20.05.1934 Schutzhaftlager Oberer Kuhberg
28.12.1936 Verhaftung, Gefängnis Welzheim
27.08.1937 – 27.09.1939 KZ Dachau
29.09.1939 – 20.06.1940 KZ Mauthausen

Josef Kern wurde am 9. Januar 1885 in Jügesheim (heute: Stadt Rodgau) geboren. Die Eltern starben früh: der Vater 1889, die Mutter 1900. Seit 1910 wohnte er in Bietigheim (heute: Bietigheim-Bissingen im Landkreis Ludwigsburg) in der Wobachstraße 2, anderen Angaben zufolge zuletzt in der Friedrichstraße. Er war in erster Ehe verheiratet mit Anna Kern, geborene Dingler. Aus dieser Ehe gingen drei Söhne hervor. Die Ehe wurde spätestens 1937 geschieden.

Kern arbeitete bei der Gesellschaft für Elektrische Anlagen A.G. in Stuttgart, zeitweilig auch aushilfsweise bei dem Tiefbauunternehmen Wörner in Bietigheim und dem Schotterwerk Fink in Bissingen. Er war Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und leitete deren Ortsgruppe Bietigheim, für die er auch im dortigen Gemeinderat saß.

Kern, der noch bis 4. März 1933 in politischen Versammlungen gesprochen hatte, wurde am 9. März 1933 als exponiertes KPD-Mitglied in Bietigheim verhaftet und dann in das am 21. März 1933 eröffnete Konzentrationslager Heuberg bei Stetten am kalten Markt verbracht. Im Dezember 1933 wurde er von dort in das Nachfolgelager Oberer Kuhberg in Ulm überstellt, wo er bis zum 20. Mai 1934 inhaftiert blieb.

Ende 1936 wurde Kern erneut verhaftet. Wegen des Vorwurfs der „Vorbereitung zum Hochverrat“ sollte ihm der Prozess gemacht werden. Da das Sondergericht Stuttgart ihn im Mai 1937 von diesem Tatvorwurf freisprach, trat die Gestapo auf den Plan, um das Urteil zu „korrigieren“. Kern kam in das Gestapo-Gefängnis Welzheim, von wo er am 27. August 1937 in das Konzentrationslager Dachau eingewiesen wurde. Dort erhielt er die Häftlingsnummer 12633 "2xKL" (zweimal im KZ) und wurde in Block 17 untergebracht.

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Kern_Jos_Da
Schreibstubenkarte KZ Dachau mit unrichtig wiedergegebenem Geburtsort, Arolsen Archives Dok. 10676330 - Josef Kern

Offenbar wurde er als Schuhmacher eingesetzt. Nach seinen eigenen späteren Angaben musste er die Strafe des rückwärtigen „Baumhängens“ über sich ergehen lassen und erlitt einen totalen Zahnverlust. Anlässlich der temporären Umnutzung des Lagers Dachau wurde Kern im September 1939 mit einem 1600 Häftlinge umfassenden Transport in das Konzentrationslager Mauthausen verlegt (Häftlingsnummer 1477). Dort musste er unter anderem erleben, dass sein Mithäftling und Parteigenosse Fritz Jauch (siehe Biografie) in der Baracke "drei Betten neben ihm" an Hungertyphus starb. Er selbst zog sich bei Steinbrucharbeiten einen Rippenbruch und Erfrierungen an den Extremitäten zu, weshalb er im Krankenrevier behandelt werden musste. Am 20. Juni 1940 wurde er wegen schlechter gesundheitlicher Verfassung unter der Auflage einer Meldepflicht aus dem Konzentrationslager entlassen.

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Kern_Jos_Entl
Seite aus einer Liste der zwischen dem 16.5.1939 und dem 16.9.1941 aus dem KZ Mauthausen entlassenen Häftlinge, Josef Kern unter der laufenden Nummer 82,
Arolsen Archives 1.1.26.1 Dok. 1318144

Zur Behandlung der Folgen von Misshandlungen, Unterernährung und Sklavenarbeit kam er für sechs Wochen in das Krankenhaus in Bietigheim. Danach arbeitete er vom September 1940 bis März 1945 in seinem Heimatort in der Schuhfabrik Carl Fritz, die auch einige ausländische Zwangsarbeiter beschäftigte. Josef Kern verlor zwei seiner Söhne im Krieg. Ende April 1945 setzte er sich für eine kampflose Übergabe des zur „Enzfestung“ ausgebauten Ostteils Bietigheims an die heranrückenden französischen Truppen ein. Kern wurde leitendes Mitglied des am 27. Mai 1945 konstituierten „Antifaschistischen Ausschusses“, einer kommunalen Übergangsverwaltung unter alliierter Besatzung.

Später wurde Kern Sachbearbeiter beim Bürgermeisteramt Bietigheim. Bis Ende Oktober 1948 war er beim Ministerium für politische Befreiung Württemberg-Baden als Beisitzer bei der Spruchkammer des Interniertenlagers Ludwigsburg beschäftigt. Josef Kerns Wiedergutmachungsverfahren wegen Haftentschädigung, Schaden im beruflichen Fortkommen und Schaden an Körper und Gesundheit zog sich über Jahre hin. Seinen Anträgen wurde nur in Teilen entsprochen.

Josef Kern verstarb am 26. Februar 1961.

Josef Kerns Wohnadresse Wobachstraße 2 existiert nicht mehr. Die Markierung auf der Karte zeigt eine Stelle in ungefährer Nähe an der Wobachstraße in 74321 Bietigheim-Bissingen allgemein.


Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.6.2 Individuelle Häftlingsunterlagen KL Dachau – Josef Kern
1.1.6.7 Schreibstubenkarten Dachau – Josef Kern
1.1.26.1 Dokument 1318144 - Listenmaterial Mauthausen

Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 5783 und Bü 5784

Masha Littau: Josef Kern (http://dzok.faust-iserver.de, eingesehen 1.11.2021)

Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

Studienkreis deutscher Widerstand: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Bd. 5 Baden-Württemberg I, 1985, S. 227.

 


© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: November 2021
www.kz-mauthausen-bw.de