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Zeugen Jehovas (33 Häftlinge)

Die 1870 in den USA gegründete Glaubensgemeinschaft nannte sich seit 1913 "Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher" (IBV) und wurde 1931 in "Zeugen Jehovas" umbenannt. In Deutschland dauerte es jedoch einige Zeit, bis sich der neue Name durchsetzte, so dass in den behördlichen Dokumenten der 1930er Jahre noch häufig die Bezeichnungen IBV oder "Bibelforscher" verwendet wurden.

Die Vorgeschichte

Bis in die 1980er Jahre kamen die Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in den Darstellungen der NS-Verfolgungsgeschichte und in den Narrativen anderer Verfolgtengruppen - wenn überhaupt - dann nur marginal vor. Ihre Verfolgung durch das NS-Regime fand keine öffentliche Würdigung seitens der Politik, in Gedenkreden blieben sie unerwähnt und den Angehörigen der wegen Wehrdienstverweigerung und Wehrkraftzersetzung verurteilten und hingerichteten Zeugen Jehovas wurde nur in Ausnahmefällen eine Entschädigung gewährt.1

Obwohl sich die nach ihrem Selbstverständnis unpolitischen Zeugen Jehovas zunächst nicht als Gegner der Nationalsozialisten sahen, zeigte sich schnell, dass der Totalitätsanspruch des NS-Regimes wie auch das Konstrukt der "Volksgemeinschaft" und die damit verbundenen Pflichten und Rituale mit den Anforderungen ihrer Lehre unvereinbar waren. Machtpolitisch stellten die Zeugen Jehovas keine Bedrohung für den NS-Staat dar. Ihr unbeirrtes Leben nach den Regeln und Geboten ihrer Lehre, ihre Missionierungsarbeit und ihre Verweigerungshaltung gegenüber staatlichen Anforderungen machte die Angehörigen der Glaubensgenmeinschaft der IBV jedoch in den Augen der braunen Machthaber zu Saboteuren der gleichzuschaltenden Volksgemeinschaft und damit zu Staatsfeinden.

Für das Festhalten an ihren Überzeugungen zahlten die Zeugen Jehovas einen hohen Preis. Von den 1933 rund 25.000 Mitgliedern der Gemeinde in Deutschland waren während der NS-Zeit an die 9.000 für unterschiedlich lange Dauer inhaftiert. Über 2.800 wurden in ein Konzentrationslager eingewiesen, darunter rund 1.000 Frauen.2 1.200 kamen in der Haft zu Tode; 300 wurden wegen Kriegsdienstverweigerung von Wehrmachtsgerichten zum Tode verurteilt und hingerichtet. In Baden wurde die "Internationale Vereinigung der Ernsten Bibelforscher" (IBV) bereits am 15. Mai 1933 verboten. In Württemberg wurden die IBV und ihre Hilfs- und Ersatzorganisationen am 1. Februar 1934 aufgelöst und verboten. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass mit dem NS-Staat keinerlei Verständigung zu erreichen war, beschlossen die Zeugen Jehovas Anfang September 1934 auf einem internationalen Kongress in Basel, an dem trotz Verbots durch die politische deutsche Polizei auch etwa 1.000 deutsche Mitglieder teilnahmen, die uneingeschränkte Wiederaufnahme ihrer Missions- und Propagandatätigkeit sowie den Aufbau illegaler Strukturen.

Ab Mitte 1936 ging die Gestapo dazu über, die aktiven Zeugen Jehovas zielstrebiger und rigoroser zu verfolgen. In einer Denkschrift kam das zentrale Geheime Staatspolizeiamt (Gestapa) im Spätsommer 1936 aufgrund von Ermittlungsergebnissen zu dem Schluss, dass der Staat "mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln gegen die Internationale Bibelforschervereinigung vorgehen [müsse], um sie wenigstens in Deutschland für immer zu vernichten".

Das Gros der badischen und württembergischen Zeugen Jehovas wurde in den Jahren 1936/37 verhaftet. Darunter auch zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Kongresses der Internationalen Bibelforschervereinigung in Luzern Anfang September 1936. Den deutschen Zeugen Jehovas war die Teilnahme im Vorfeld polizeilich verboten worden. Durch beim Kongress anwesende Spitzel war die Gestapo bestens informiert und verhaftete zahlreiche Kongressteilnehmende nach ihrer Rückkehr im Laufe der folgenden Wochen. Die Anklage lautete meist: "Vergehen nach § 4 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.02.1933". Verurteilt wurden die Angeklagten fast ausnahmslos wegen "fortgesetzter Betätigung für die verbotene Sekte der Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher", oder auch "Betätigung für die Ziele der Ernsten Bibelforscher". Die unter anderem dafür zuständigen Sondergerichte Mannheim (für Baden) und Stuttgart (für Württemberg), verhängten in der Regel Urteile von mehreren Wochen bis zu zwei Jahren Gefängnis.

Im Zuge der Verschärfung der Verfolgungsmaßnahmen bestimmte das Berliner Gestapa in einem Erlass vom April 1937: "Sämtliche Anhänger der IBV., die nach Beendigung der Strafhaft aus den Gefängnissen entlassen werden, sind unverzüglich in Schutzhaft zu nehmen; ihre Überführung in ein Konzentrationslager ist unter Darlegung des Sachverhalts zu beantragen."4 Ebenso war bei aus der Untersuchungshaft Entlassenen oder bei von der Justiz Freigesprochenen die Schutzhaftfrage zu prüfen.

Am Ende der Justizhaft holten Gestapobeamte die Bibelforscher am Gefängnistor ab und brachten die Badischen in das Bewahrungslager Kislau (bei Bad Mingolsheim im Landkreis Karlsruhe), die Württembergischen in das Gestapogefängnis Welzheim, wo sie auf das Eintreffen des Schutzhaftbefehls vom Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin und dann auf einen Transport in das Konzentrationslager Dachau, dem Regeleinweisungslager für den südwestdeutschen Raum, warteten.5 In den KZ wurden sie in den von Gestapo und/oder Kripo geführten Politischen Abteilungen als "Bifo" (oft noch zusätzlich mit "Sch." für Schutzhäftling) registriert und erhielten spätestens seit 1938 einen lila Winkel als Kennzeichnung.

Zeugen Jehovas im KZ Mauthausen

Im Zuge der vorübergehenden Räumung des Lagers Dachau für Ausbildungszwecke der SS wurde am 27. September 1939 ein Häftlingstransport mit 1.600 Häftlingen in das KZ Mauthausen überstellt. Unter ihnen waren 144 deutsche und österreichische Zeugen Jehovas, darunter 20 aus Baden und fünf aus Württemberg.
Insgesamt gab es im Lagerkomplex Mauthausen 301 Bibelforscher, circa 85% waren männlich mit einem Durchschnittsalter von 39,6 Jahren. 91 von ihnen überlebten die KZ-Haft nicht, die Mortalitätsrate lag bei 37,1%. Die mit Abstand größte Gruppe bildeten die Reichsdeutschen mit 52,9%.
Sie waren sowohl im Stammlager wie auch in einigen der 22 Nebenlager interniert. Hinzu kamen drei Frauenlager in St. Lambrecht, Schloss Mittersill und Schloss Lannach, in denen ausschließlich Zeuginnen Jehovas aus dem Frauen-KZ Ravensbrück untergebracht waren. Bei ihnen sind keine Todesfälle bekannt.

25 Glaubensbrüder, darunter fünf aus Württemberg und Baden, wurden am 18. Februar 1940 ins KZ Dachau rücküberstellt. Die im Stammlager Mauthausen verbliebenen waren, mit Ausnahme besonderer Arbeitskommandos, in Block 7 untergebracht, in Gusen in Block 15. Wie die meisten Häftlinge wurden auch die Zeugen Jehovas zunächst im Steinbruch "Wiener Graben" und beim Gusener Lageraufbau eingesetzt. Der wegen seiner Grausamkeit im ganzen Lager gefürchtete 1. Kommandoführer im Steinbruch, Hauptscharführer Hans Spatzenegger, verspottete sie als "Bibelwürmer" und "Himmelskomitee", die im "großen Grab des Wiener Grabens" zugrundegehen würden. Ihre glaubensbedingte Unbeugsamkeit machte sie in der ersten Zeit zum besonderen Hassobjekt der Lager-SS. Viele wurden im Steinbruch zu Tode geschunden. Andere wurden wegen ihrer Weigerung, einen Wehrpass zu unterschreiben zu Tode misshandelt.6 Zwischen Januar und April 1940 herrschte unter den Zeugen Jehovas mit 53 Toten die höchste Todesrate. Mehr als 50% ihrer Todesopfer insgesamt waren in diesem kurzen Zeitraum zu beklagen.

Ab Sommer 1940 besserte sich die Lage für die Bibelforscher allmählich. Die Lager-SS begann, die ihnen zugeschriebene Ehrlichkeit, ihren Fleiß und ihre Zuverlässigkeit zu schätzen. Außerdem lehnten sie Sabotage und Widerstandsaktionen gegen die SS sowie Fluchtversuche aufgrund ihres Glaubens ab. Sie wurden besseren Arbeitskommandos, oft zu Spezialarbeiten in Werkstätten, zugeteilt und halfen dann anderen Glaubensgenossen ebenfalls in günstigere Kommandos zu kommen. Der Bibelforscher Erich Kunz beispielsweise übernahm in Gusen das kaufmännische Büro der SS-eigenen „Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH“ (DEST), wo er sich das Vertrauen des Betriebsleiters erwarb:
"Es war demzufolge für mich nicht allzu schwierig, die Brüder [andere Bibelforscher] je nach ihren Fähigkeiten in den verschiedenen Werkstattbetrieben bzw. selbst im Büro, in welchem ich nach kurzer Zeit für etwa 30 Häftlinge verantwortlich war, 'unterzubringen', wo sie auf diese Weise vor den Unbilden der Witterung und den Willkürakten der SS weitgehend geschützt waren."

Ab Oktober 1942 wurden auf Befehl Heinrich Himmlers 20 Zeugen Jehovas in Mauthausen als Steinmetze ausgebildet. Schließlich wurde einer von ihnen der Leiter der Steinmetzschule. Und im Juli 1944 erlaubte Himmler offiziell - was längst gängige Praxis war - Bibelforscher in "Vertrauensstellungen" wie schwer zu bewachende Außenkommandos, in SS-Haushalten und in der Verwaltung einzusetzen. Mindestens drei Bibelforscher waren Funktionshäftlinge (Schlosserkapo im Steinbruch, Maurerkapo in Gusen, 2. Lagerschreiber in Gusen). Es sind keine Aussagen anderer Häftlinge bekannt, dass sie sich an Misshandlungen beteiligt oder persönliche Vorteile aus ihrer Stellung bezogen hätten.

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Lossagungserklärung ZJ
Die Lossagungserklärung

Sie waren die einzigen Häftlinge, die ihre Entlassung aus dem KZ unmittelbar selbst hätten herbeiführen können. Zwischen 1939 und 1945 wurde ihnen wiederholt die Entlassung angeboten, wenn sie die sogenannte "Widerrufserklärung", in der sie ihrem Glauben abschwören und sich zum NS-Staat bekennen sollten, unterschreiben würden.
Es machten aber nur ganz Wenige Gebrauch davon. 1939 gab es im KZ Mauthausen einen, 1940 drei und 1942 zwei Zeugen Jehovas, die vermutlich aufgrund einer Unterschrift entlassen wurden. Die Wehrpflichtigen wären allerdings nach ihrem Abschwören sofort zum Militär einberufen worden.
Wo immer sie innerhalb des Lagerkomplexes eingesetzt waren, bildeten sie enge, solidarische Gruppen mit festem Zusammenhalt (auch international). Ihr Gemeinschaftsgeist ermöglichte es ihnen, kollektive Strategien des Überlebens und der religiösen Selbstbehauptung zu entwickeln. Sie teilten ihr Essen untereinander, versuchten sich gegenseitig zu schützen und zu unterstützen und verhielten sich auch den anderen Häftlingen gegenüber menschlich. Allerdings lehnten sie jegliche politische Zusammenarbeit mit anderen Häftlingsgruppen ab und bewahrten innerhalb der politischen Auseinandersetzungen im Lager strikte Neutralität.

Im Falle des Verbots jeglicher religiöser Aktivitäten durch die Lager-SS erwiesen sie sich jedoch als äußerst widerständig. Sie schmuggelten religiöse Schriften ins Lager und vervielfältigten sie dort, trafen sich heimlich zu Bibellesungen und zum Studium ihres Zentralorgans "Wachturm", sie feierten Gottesdienste und versuchten selbst im KZ mit "Zeugniskarten" in verschiedenen Sprachen ihre Missionierungsaufgabe zu erfüllen. Im Heizungsraum der Schlosserei in Gusen fand sogar eine Taufe neubekehrter Bibelforscher statt.

Diese Aktivitäten blieben nicht unbemerkt. In einem Runderlass vom 10.9.1943 rügte der Generalinspekteur des Konzentrationslagerwesens, Oswald Pohl, mehrere KZ-Kommandanten, darunter auch Franz Ziereis von Mauthausen, wegen Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht bezüglich der staatsfeindlichen Propaganda der Bibelforscher in den KZ. Diese Nachsicht sei sicher darauf zurückzuführen, dass sie hervorstechende Arbeitsleistungen zeigten, egal wo sie eingesetzt würden. Um ihre religiösen Aktivitäten zu unterbinden, sollten die Zeugen Jehovas auf verschiedene Blöcke verteilt werden. Dies erwies sich jedoch für die SS als kontraproduktiv, da deren Ansichten bei einigen der neuen Blockgenossen auf Interesse zu stoßen schienen. So wurden sie nach kurzer Zeit wieder zusammengelegt.

Auch am 5. Mai 1945, dem Tag der Befreiung, und in den folgenden Tagen blieben die Glaubensbrüder zusammen und versuchten in dem allgemeinen Chaos sich ruhig und besonnen zu verhalten. Dadurch, und auch weil sich vor allem unter den polnischen und sowjetischen Gefangenen immer wieder Fürsprecher für sie fanden, blieben sie von Racheaktionen gegen deutsche Häftlinge verschont.
Die meisten Bibelforscher blieben noch Wochen oder gar Monate nach der Befreiung im Lager,

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Bifos nach der Befreiung im KLM
Zeugen Jehovas nach der Befreiung im KZ Mauthausen.
Aus: Gsell/Jakli, Jehovas Zeugen im KZ Mauthausen, S. 29

obwohl zumindest ein Teil von ihnen nach ihrer Überprüfung durch die US-Militärbehörden bereits am 24. Mai 1945 offiziell entlassen worden war. Die kranken Häftlinge kamen in die von der US-Armee provisorisch eingerichteten Spitäler. Andere waren zu geschwächt, um schon die Heimreise antreten zu können, zumal kaum Transportmittel zur Verfügung standen. Die Gusener Gruppe wechselte im Juni 1945 ins Stammlager. Am 27. Juni, als die Übernahme des Lagers, das bisher von amerikanischen Militärbehörden verwaltet worden war, durch die Sowjetarmee anstand, wurden die deutschen Zeugen Jehovas mit einem Teil anderer sich noch dort aufhaltenden Häftlinge mit Bussen nach München (Christian Rinker) gebracht, von wo aus sie später die Heimreise antraten .

Nahezu alle inhaftiert gewesenen Zeugen Jehovas beziehungsweise ihre Hinterbliebenen stellten nach Kriegsende Anträge auf Entschädigung und/oder Anträge auf Soforthilfen für dringend benötigte Anschaffungen. Von den Landesämtern für Wiedergutmachung wurden sie weitgehend problemlos als religiös Verfolgte anerkannt und bekamen bis in die 1970er Jahre immer wieder Leistungen bewilligt. Es war dies sicher auch dadurch begünstigt, dass sich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) bei vielen von ihnen für eine Anerkennung der Ansprüche ausgesprochen hat. Trotz aller ideologischen Differenzen haben sich viele politische Häftlinge sehr anerkennend über das solidarische und in ihren Augen "anständige" Verhalten der Zeugen Jehovas im KZ geäußert, auch wenn sie sich aus Glaubensgründen an keinen Widerstandshandlungen beteilgt hatten.
Nach der Befreiung sammelten die Zeugen Jehovas zeitnah intern Berichte über ihre Verfolgung. Diese wurden in ihren Archiven aufbewahrt, öffentlich publiziert wurden sie jedoch nicht. Auch waren Zeugen Jehovas jahrzehntelang nach dem Krieg nicht bereit, sich diesbezüglich interviewen zu lassen. Erst in den 1980er Jahren erschienen dann erstmals "gemeindeferne" Publikationen zu den Bibelforschern im Nationalsozialismus. Ende der 1990er Jahre änderte sich die offizielle Haltung ihrer religiösen Zentralen sowohl in Deutschland als auch in den USA. Man unterstützte nun die wissenschaftliche Untersuchung der Geschichte ihrer Verfolgung und publizierte selbst einige Darstellungen sowie 1996 die Videodokumentation "Standhaft trotz Verfolgung - Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime".
Eine offizielle, wie auch immer geartete, Würdigung ihrer Verfolgung seitens der Politik ist unseres Wissens bisher nicht erfolgt, wurde aber auch lange Zeit von den Zeugen Jehovas nicht gefordert, ebensowenig wie sie sich am "Konkurrenzkampf" der verschiedenen Opfergruppen beteiligt haben. Erst seit einigen Jahren wird in der entsprechenden Literatur darauf hingewiesen, dass der Widerstand und der daraus resultierende hohe Blutzoll der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus Anerkennung verdiene.

Daten für die Mauthausen-Häftlinge aus Württemberg und Baden

Nach unserem Wissen wurden insgesamt 31 Männer und zwei Frauen aus dem heutigen Baden-Württemberg in den Lagerkomplex Mauthausen deportiert, davon 24 aus Baden und neun aus Württemberg. 30 waren davor im KZ Dachau inhaftiert gewesen, ein Glaubensbruder wurde aus dem Zuchthaus Ludwigsburg direkt nach Mauthausen eingewiesen. Die beiden weiblichen Inhaftierten kamen aus dem Frauen-KZ Ravensbrück in die Außenlager Schloss Mittersill und Schloss Lannach.
27 dieser 32 Bibelforscher*innen kamen mit dem großen Häftlingstransport am 27. September 1939 im Zuge der vorübergehenden Räumung des Lagers Dachau für Ausbildungszwecke der SS ins KZ Mauthausen. Sechs wurden am 18. Februar 1940 nach Dachau rücküberstellt.
18 der 33 Glaubensgenoss*innen gingen im KZ zugrunde oder wurden ermordet, 14 davon im ersten Halbjahr 1940.
Rein statistisch wären, bezogen auf ihre Zahl im Reichsdurchschnitt,15 Bibelforscher-Häftlinge für das Gebiet des heutigen Baden-Württemberg zu erwarten gewesen. Obwohl die Zeugen Jehovas in Baden und Württemberg nicht überproportional stark vertreten waren, zählten sie mehr als doppelt so viele Häftlinge im Mauthausenkomplex.


Anhang:
Namenliste der 33 Zeugen-Jehova-Häftlinge des KZ Mauthausen aus dem heutigen Baden-Württemberg

Liste Zeugen-Jehova-Häftlinge

 

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1 Im Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile vom 25. August 1998 (BGBl I, S. 2501) wird Bezug auf die Kriegssonderstrafrechtsverordnung genommen. Als „verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit“ ergangen sind, wurden alle Urteile wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ aufgehoben. Individuelle Entschädigungsansprüche waren mit der Aufhebung der Unrechtsurteile nicht verbunden.

2 Zeuginnen Jehovas waren in hohem Maße an der illegalen Arbeit ihrer Organisation beteiligt, und so waren bei ihnen Frauen in höherem Maße von Verfolgungsmaßnahmen betroffen als bei anderen Gruppen.

4   Bauz, Brüggemann, Maier: Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern, S. 252

5 Die Bibelforscherinnen kamen zunächst in die Frauenlager Moringen oder Lichtenburg, später dann in das seit Mai 1939 existierende Frauen-KZ Ravensbrück.

6 Seit kurz vor Kriegsbeginn wurden im KZ Mauthausen immer wieder alle deutschen und österreichischen Häftlinge bestimmter Jahrgänge von einer Militärkommission des Wehrbezirkskommandos Linz gemustert. Befand man sie für tauglich, wurden sie von der SS an die Wehrmacht übergeben. Die für tauglich befundenen Zeugen Jehovas weigerten sich jedoch, Militärdienst zu leisten und wurden dafür bei den ersten Musterungsaktionen ermordet. Bei späteren Musterungen führte ihre Weigerung zwar wieder zu Misshandlungen, aber keiner mehr wurde unmittelbar in diesem Zusammenhang ermordet.

 
Literatur

Andreas Baumgartner: Die vergessenen Frauen von Mauthausen. Die weiblichen Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen und ihre Geschichte. Wien 1997.

Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier (Hrsg.): Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern. 3. aktualisierte Auflage. Stuttgart 2018.

Detlef Garbe: Zwischen Widerstand und Martyrium. Die Zeugen Jehovas im "Dritten Reich". München 1999.

Detlef Garbe: Die mit dem "lila Winkel" - Die Zeugen Jehovas in den Konzentrationslagern. Beitrag 7.9.2016. www.lernen-aus-der-geschichte.de

Heide Gsell, Timon Jakli: Jehovas Zeugen im KZ Mauthausen. Widerstand aus religiöser Überzeugung. Empersdorf 2009.

Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. 3. Auflage. Wien 1995.

Andreas Kranebitter: Zahlen als Zeugen. Soziologische Analysen zur Häftlingsgesellschaft des KZ Mauthausen. Wien 2014.

Hubert Roser (Hg.): Freiburger Zeugen Jehovas unter der NS-Diktatur. Freiburg 2010.


© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Dezember 2022
www.kz-mauthausen-bw.de