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Eugen Prötzel (1915 - 1940)

"Nieder mit Hitler"

08.03.1939 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
17.02.1940 gestorben im KZ Mauthausen

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Rötzel, Eugen VVNA
Eugen Prötzel, Foto: VVNA Stuttgart

Eugen Prötzel wurde am 7. Juli 1915 in Cannstatt bei Stuttgart geboren. Sein Vater, Hermann Prötzel, war von Beruf Mechaniker und hatte 1914 in dritter Ehe Eugens Mutter geheiratet. Eugen hatte insgesamt acht (Halb-)geschwister. Der Vater starb 1921.

In der Gewerbeschule erhielt Eugen Prötzel sehr gute Zeugnisse und zwei Preise. Seit Sommer 1930 ging er bei einer Maschinenfabrik in Cannstatt in die Lehre. Er freundete sich mit kommunistisch eingestellten Arbeitern an, ohne jedoch selbst einer KPD-Organisation beizutreten. Aber er beteiligte sich an deren illegalen Aktivitäten. Gemeinsam mit einem gleichaltrigen Lehrling aus seinem Betrieb stand er Schmiere, als in der Nacht zum 23. Juni 1933 ältere Genossen an der Umfassungsmauer des Standortlazaretts, am Betonzaun des Gaswerks und anderen Stellen im Stadtteil mit großen Lettern in weißer Farbe Parolen anbrachten: „Weg mit dem Blutkanzler Hitler. KPD lebt noch“, „Nieder mit Hitler. KPD“, „Heraus mit Thälmann. Rot Front“.

Eine Woche später wurde Prötzel zusammen mit seinem Lehrlingskollegen verhaftet. Nach zwei Wochen polizeilicher Schutzhaft kam er in Untersuchungshaft. Am 22. August 1933 verurteilte ihn das Amtsgericht Stuttgart wegen Vergehens gegen die Verordnung vom 28. Februar 1933 („Reichstagsbrandverordnung“) in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Haftstrafe von einem Monat unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Im Strafmaß enthalten war die Sühne für das Zusammenfalten von etwa 150 kommunistischen Flugblättern. Insgesamt hatte das Gericht relativ milde geurteilt, obwohl es an Prötzels in der Hauptverhandlung gezeigten Reue erhebliche Zweifel hegte.

1934 schloss Prötzel seine Lehre ab und arbeitete anschließend bei verschiedenen Firmen in Cannstatt als Mechaniker und Schleifer. Mit seiner Beteiligung an der KPD-Propagandaaktion war er zwar ins Visier der Politischen Polizei geraten, doch gibt es keine Hinweise, dass er von ihr in den unmittelbar folgenden Jahren weiter behelligt worden wäre. Abgesehen von einer späteren, wenig konkreten Behauptung eines Onkels finden sich auch keine Aussagen, dass er sich weiterhin politisch oppositionell betätigt habe. Gewiss ist nur, dass sein letztes Stuttgarter Arbeitsverhältnis Mitte Juni 1937 endete. Am 10. Juli überschritt er ohne Pass die deutsch-holländische Grenze und hielt sich länger als ein Jahr in Holland und Belgien auf. Im Oktober 1938 wurde er von der niederländischen Polizei festgenommen und der deutschen Grenzpolizei übergeben.
Über die Motive der Emigration finden sich differierende Angaben. 1937 hätte er zum Militär einrücken sollen und um sich dem zu entziehen habe er sich zuerst vergeblich nach der Schweiz gewandt. Daraufhin habe er sein Heil in Holland versucht, um von dort leichter nach Übersee zu kommen. Möglicherweise aber hatte er beabsichtigt, auf republikanischer Seite am Spanischen Bürgerkrieg teilzunehmen. Letzteres jedenfalls unterstellte das Schöffengericht Krefeld, das ihn am 2. Dezember 1938 wegen Passvergehens zu sechs Wochen Gefängnis verurteilte. Eventuell hatte Prötzel sich auch der Spionage verdächtig gemacht.

Nach der Justizhaft wurde er der Geheimen Staatspolizei Stuttgart übergeben und in das württembergische Gestapo-Gefängnis Welzheim verbracht. Am 8. März 1939 kam er von dort in das Konzentrationslager Dachau (Häftling Nummer 32680) und wurde anlässlich der zeitweiligen Umnutzung des Lagers für Ausbildungszwecke der SS am 27. September 1939 per Sammeltransport nach Mauthausen überstellt. Als Grund für die KZ-Haft wurde „Schutzhaft rückfällig“ genannt. Eugen Prötzel starb am 17. Februar 1940 im Konzentrationslager Mauthausen im Alter von 24 Jahren.

Die hinterbliebene Mutter stellte nach dem Krieg einen Antrag auf Wiedergutmachung, dem am 15. Juli 1959 stattgegeben wurde, da die Verfolgung Eugen Prötzels eindeutig aus politischen Gründen erfolgt war. Als nicht entschädigungsfähig galt lediglich die Krefelder Haftstrafe, da die Passvorschriften für alle Bevölkerungsteile gegolten hätten. Prötzel, so die bemerkenswerte Argumentation, hätte nicht etwa die Grenze überschritten, um vor Verfolgungsmaßnahmen zu fliehen oder um den Nationalsozialismus zu bekämpfen, sondern um am Kampf gegen die Franco-Truppen teilzunehmen.

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Prötzel, Stolperst.verlegung
Stolpersteinverlegung für Eugen Prötzel am 1.4.2019 in der Hornbergstr. 91, Foto: Roland Maier

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Eugen Prötzels Wohnadresse Hornbergstraße 91 in 7188 Stuttgart-Ost. Dort wurde für ihn am 1. April 2019 ein Stolperstein verlegt (der Stolperstein ist neben dem Gebäude Hornbergstraße 93 zu finden).


Quellen und Literatur

VVN-Archiv Stuttgart D 2693, A 31 (mit Dank an Volger Kucher)

Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I Bü 725

Auskunft des Archivs der KZ-Gedenkstätte Mauthausen

Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

Gudrun D. Greth: Eugen Prötzel, Stolpersteine Stuttgart

Sigrid Brüggemann: Eugen Prötzel, in: Andreas Kranebitter (Hg.), Gedenkbuch für die Toten des KZ Mauthausen und seiner Außenlager, Bd. 1, Wien 2016, S. 335 f. (online: https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org)

 

© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann Stuttgart
Überarbeitung: Roland Maier, Juni 2022
www.kz-mauthausen-bw.de