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Richard Nuber

(geb. 1908)

Militant gegen Nazis


06.11.1934 Verhaftung in Fellbach, Zuchthaus Fuhlsbüttel
17.03.1937 Lager Aschendorfermoor
November 1940 Zuchthaus Oslebshausen
20.09.1941 KZ Mauthausen
28.06.1942 KZ Stutthof
01.12.1942 KZ Sachsenhausen
02.05.1945 befreit bei Schwerin

Richard Nuber wurde am 15. Juni 1908 in Fellbach bei Stuttgart geboren. Nach der Schulentlassung arbeitete er bis 1925 als Elektromonteur in Esslingen und wurde dann erwerbslos. In der Folgezeit verrichtete er Notstandsarbeiten und war in verschiedenen Betrieben tätig. Seit 1928 verdiente er in Hamburg sein Geld als Elektriker. Ab 1930 war er dann erneut arbeitslos, weshalb er sich bei der Kartoffelernte in Mecklenburg verdingte. Dort soll er zusammen mit einigen seiner Kollegen einen Automaten an einer Gastwirtschaft manipuliert haben. Nuber: „Wir waren damals arbeitslos, die Unterstützung reichte nicht, deshalb haben wir uns auf diese Weise etwas verschafft“. Nuber, der schon zuvor zweimal wegen Bagatelldelikten vor Gericht gestanden hatte, wurde 1930 vom Schöffengericht Ludwigslust (Mecklenburg-Vorpommern) wegen gemeinschaftlich versuchten schweren Diebstahls zu einer Haftstrafe von drei Monaten verurteilt.

1931 wurde Nuber Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschland (KPD) und trat im folgenden Jahr dem Roten Frontkämpferbund (RFB) bei, einem von der KPD gelenkten Wehrverband, der damals bereits verboten war. Von den seinerzeit an der Tagesordnung gewesenen Straßenkämpfen mit den Nazis berichtete Richard Nuber im Jahr 1950 rückblickend: „Im Februar 1933 demonstrierten wir vor dem Adler-Hotel in Hamburg, einem SA-Lokal. Wir marschierten vorbei und sangen. Daraufhin wurde aus dem Lokal herausgeschossen. Zwei Leute von uns erwiderten das Feuer. Zwei Personen wurden erschossen. Ich selbst habe nicht geschossen.“

Im März 1933 hatte der RFB einen Sprengstoffanschlag auf die SA-Lokale „Hölle“ und „Schützenliesel“ in Hamburg geplant. Auf jedes Lokal sollte ein selbstgefertigter Sprengkörper geworfen werden, Nuber sollte mit einer Pistole bewaffnet den Rückzug decken. Einer der Bombenwerfer erschien jedoch nicht zum vereinbarten Termin, weshalb die Aktion nicht durchgeführt wurde. Geschehen war somit faktisch zwar nichts, doch flog der Anschlagsplan später durch den Verrat eines Kuriers auf.

Im Juli 1933 ging Nuber, da die Lage für ihn und seine Genossen unhaltbar geworden war, von Hamburg wieder weg: „Hamburg habe ich verlassen, als die Verhaftungen losgingen. Da ich kein Geld hatte, wanderte ich zu Fuß. Vom Amtsgericht Obermoschel in der Pfalz bekam ich bei dieser Gelegenheit eine Haftstrafe von fünf Tagen wegen Bettelns.“

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Nuber Schutzhaftbefehl
Schutzhaftbefehl v. 29.8.1941, VVN-Archiv Stuttgart D 2276

Nach seiner Rückkehr aus Hamburg wohnte er bei seinen Eltern in Fellbach. Dort wurde er am 6. November 1934 verhaftet. Das Sondergericht Hamburg verurteilte Nuber wegen Betätigung im RFB, Landfriedensbruch und Verabredung zu einem Feuerüberfall in Tateinheit mit Führen von Schusswaffen ohne Waffenschein zu sechseinhalb Jahren Zuchthaus. Bis März 1937 saß er im Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel. Anschließend kam er in das Emslandlager Aschendorfermoor, einem Justizgefangenenlager bei Papenburg, in dem die Häftlinge zu schweren Arbeiten im Moor herangezogen wurden und Misshandlungen durch die SA-Wachmannschaften ausgesetzt waren. Die Zeit vom November 1940 bis zum 6. September 1941 verbrachte Nuber im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen, um von hier im direkten Anschluss von der Gestapo Hamburg nach Verbüßung seiner Justizstrafe ins Konzentrationslager überstellt zu werden. Am 20. September 1941 wurde er im KZ Mauthausen als Schutzhäftling Nummer 1330 registriert. In Mauthausen traf er unter den Häftlingen politisch gleichgesinnte Landsleute wie Otto Wahl und Otto Wisst. Neun Monate musste Nuber im dortigen Steinbruch arbeiten.

Am 28. Juni 1942 wurde er von Mauthausen mit einem Transport von mehr als einhundert Facharbeitern, darunter einer Gruppe von zehn Elektrikern, zu der auch Nuber zählte, in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig verlegt. Mit auf diesem Transport waren u.a. Alfons Schmidberger und der Elektromonteur Paul Wahl. In Stutthof wurde Nuber Anfang Juli als Häftling Nummer 14233 aufgenommen. Das zuvor der Gestapo unterstellte Lager war zu dieser Zeit bereits der Inspektion der Konzentrationslager eingegliedert und die Häftlinge wurden für kriegswirtschaftliche Zwecke herangezogen. Im Gegensatz zu Mauthausen galt Stutthof als ein „milderes“ KZ der Lagerstufe I. Ob sich für Nuber durch die Überstellung nach Stutthof die Lebens- und Arbeitsbedingungen besserten, ist allerdings fraglich. An Unterernährung litt er auch hier. Doch da an qualifizierten Arbeitskräften Mangel herrschte, musste man auf ihre Gesundheit gewisse Rücksichten nehmen. Nach einem halben Jahr wurde Nuber, der bereits im KZ Mauthausen als Maschinenbauer und Elektriker geführt worden war, vom KZ Stutthof in das KZ Sachsenhausen überstellt. Zuletzt – noch Mitte Februar 1945 – war er als Schutzhäftling Nummer 53055 des KZ Sachsenhausen bei den Heinkel-Werken in Oranienburg bei der Produktion von Kampfflugzeugen eingesetzt. Beim Anrücken der Roten Armee wurde das Nebenlager Oranienburg um den 20. April 1945 evakuiert und die Marschkolonnen setzten sich in Richtung Neuruppin-Wittstock-Schwerin ab. Nuber geriet am 2. Mai 1945 bei Schwerin in die Hände der sowjetischen Truppen und erlebte auf diese Weise seine Befreiung. Bis November 1945 lebte er in ärztlicher Betreuung in Wittenberge (Brandenburg), um danach in seine alte württembergische Heimat zurückzukehren.

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Nuber_KLM
Mauthausen-Karteikarte Richard Nuber (ITS Digital Archive, Arolsen Archives Dok. 4584248)

Im September 1946 nahm er wieder eine berufliche Tätigkeit auf, jedoch nicht in seinem erlernten Beruf als Elektromechaniker, da er durch die lange Haft und die damit eingetretene technische Entwicklung berufsfremd geworden war sowie wegen seines geschwächten Gesundheitszustands, an dem auch ein ihm 1947 gewährter vierwöchiger Erholungsaufenthalt im Harpprechthaus bei Schopfloch wenig änderte. Also arbeitete er bis zum Eintritt in den Ruhestand als Wachmann im Nachtdienst bei der Staatsgalerie Stuttgart. Nuber wohnte in Fellbach, Schmidener Straße 16, war verheiratet und hatte drei Kinder.

Ende November 1947 stellte Nuber wegen seiner politischen Haft vom 6. November 1934 bis zum 2. Mai 1945 einen Antrag auf Wiedergutmachung für die erlittene Freiheitsentziehung und den Schaden im wirtschaftlichen Fortkommen. Im Auftrag des Württembergischen Justizministeriums, Abteilung IV – Wiedergutmachung – führte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, Abteilung IV, die Überprüfung auf Berechtigung des Wiedergutmachungsanspruchs durch. Unter anderem ersuchte sie den Internationalen Suchdienst (ITS) in Arolsen Ende September 1949 um eine Inhaftierungsbescheinigung. Nubers Antrag wurde abgelehnt. Zur Begründung schrieb man dem Kämpfer wider den Nationalsozialismus, es sei nicht nachgewiesen, dass die der Bestrafung zugrundeliegende Tat auf einer „achtbaren antinazistischen Einstellung“ beruhe. Man hielt Nuber seine seinerzeit aus der Not heraus begangenen Bagatellvergehen vor: „Sie sind erheblich wegen krimineller Delikte vorbestraft“. Auch seien bei den Kämpfen neben SA-Leuten angeblich auch Unbeteiligte zu Schaden gekommen: „Derartige Handlungen“ könnten „auch in einem Rechtsstaat nicht gebilligt werden“ und verstößen „gegen die Prinzipien jeglicher Staatsordnung“. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart, Abteilung IV resümierte am 31. Januar 1950: Nubers Straftaten seien nicht „einem politischen Ideal“, sondern „ehrloser Gesinnung“ entsprungen. Er sei „vor allem als Krimineller in den KZ-Lagern“ gewesen und müsse „als ein asozialer Mann angesehen werden“, weshalb Wiedergutmachungsansprüche nicht gerechtfertigt seien. Doch Nuber wollte nicht einsehen, dass man zwar den Widerstandskämpfern des 20. Juni 1944 Respekt zollte, aber Menschen, die schon viel früher das verbrecherische Wesen der Nazis erkannt und ebenso mutig und entschlossen gehandelt hatten, als „ehrlos“ und „kriminell“ abkanzelte. Zudem hatten Nubers seinerzeitige Mauthausener Schicksalsgefährten Otto Wahl und Otto Wisst ihm in einer eidesstattlichen Erklärung attestiert, dass er als politischer Häftling inhaftiert war und auch immer als Gegner des Nationalsozialismus aufgetreten ist.

Die von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) erhobene Klage in Nubers Entschädigungssache wurde 1951 durch einen Vergleich erledigt. 1958 beantragte Nuber wegen seiner Verschleppung nach Mauthausen eine „Soforthilfe für Rückwanderer“ nach Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Nach § 141 BEG hatten Personen, die aus dem Reichsgebiet nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 in ein KZ deportiert worden und zurückgekehrt waren, Anspruch auf eine Soforthilfe in Höhe von 6.000 Deutsche Mark. Als Deportation im Sinne dieser Vorschrift galt die Verbringung in ein Konzentrationslager außerhalb der Reichsgrenzen von 1937. Österreich war zu dieser Zeit noch nicht annektiert. Dennoch war die amtliche Antwort abschlägig: unter Deportation verstehe man „die zwangsweise Verschickung einer Person aus der Heimat in fremdes [Unterstr. i. Orig.] Gebiet“. Österreich sei aber, so musste Nuber sich in völkischer Manier belehren lassen, „Teil des deutschen Siedlungsgebiets“ und daher nicht fremd.

Ende April 1968 erkundigte sich der Polizeipräsident Berlin – in der irrigen Annahme, es handle sich um einen jüdischen Verfolgten – nach Nuber, da dieser möglicherweise als Zeuge im Ermittlungsverfahren gegen Angehörige des ehemaligen Reichssicherheitshauptamts (RSHA) in Frage kam. Der geplante Prozess gegen bereits ermittelte RSHA-Verbrecher kam jedoch aus bis heute kaum nachvollziehbaren Gründen nie zustande. Für Nuber jedoch zog sich das Ringen um die Wiedergutmachung hin. Letztmalig befasste sich der Internationale Suchdienst (ITS) noch Anfang September 1981 mit dem Fall. Ende 1988 besuchten Vertreter der VVN ihn persönlich in seiner Wohnung in der Täschenstraße in Fellbach, um diesbezügliche Fragen zu klären. Nubers Gesundheitszustand wurde von ihnen damals als sehr schlecht beurteilt.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Richard Nubers späteren Wohnsitz in der Täschenstraße in Fellbach.

 

Quellen

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.41.2 Individuelle Unterlagen Stutthof, Richard Nuber
1.1.26.1 / 1308139 Veränderungsmeldungen KZ Mauthausen für  28. Juni 1942
1.1.26.1 / 1308144 KZ Mauthausen Transportliste 28.6.1942 nach Stutthof, Aufteilung nach Facharbeitergruppen
1.1.41.1 / 4397706 Einlieferungsbuch des KL Stutthof
6.3.3.2 Korrespondenzakte T/D Nr. 114846
DocID: 133441110

Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 2102

VVN-Archiv Stuttgart D 2276 (mit Dank an Volger Kucher)


© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Mai 2024
www.kz-mauthausen-bw.de